aus, keiner bleibt zurück, und um das Bild von einem tüchtigen und gesunden Schlendrian des gemeinen Lebens vollständig zu machen, kommen ihnen die zusammengedrängten und in die Reihe gewöhnten Pferde auf halbem Wege entgegen, und was der Reiter etwa versäumen sollte, thut unfehlbar sein Organ, das Pferd, von selbst. Erst wo dieser Zwang und Schlendrian, oder das bit¬ ter Nothwendige der Masse aufhört und wo die Freiheit beginnt, beim hochlöblichen Offiziercorps, giebt es sogenannte gute Reiter, schlechtere Reiter und vorzügliche Reiter; denn diese haben es in ihrer Gewalt, über das geforderte Maß hinaus mehr oder weniger zu leisten. Das Ausgezeich¬ nete, Kühne, was der Gemeine erst im Drange der Schlacht, in unausweichlicher Gefahr und Noth unwillkürlich und unbewußt thut, die gro¬ ßen Sätze und Sprünge übt der Offizier alle Tage zu seinem Vergnügen, aus freiem Willen und gewissermaßen theoretisch: doch fern sei es von ihm, daß er deswegen allmächtig sei und nicht trotz allem Muth und aller seiner Kunst von einem erschreckten Pferde einmal abgeworfen,
aus, keiner bleibt zuruͤck, und um das Bild von einem tuͤchtigen und geſunden Schlendrian des gemeinen Lebens vollſtaͤndig zu machen, kommen ihnen die zuſammengedraͤngten und in die Reihe gewoͤhnten Pferde auf halbem Wege entgegen, und was der Reiter etwa verſaͤumen ſollte, thut unfehlbar ſein Organ, das Pferd, von ſelbſt. Erſt wo dieſer Zwang und Schlendrian, oder das bit¬ ter Nothwendige der Maſſe aufhoͤrt und wo die Freiheit beginnt, beim hochloͤblichen Offiziercorps, giebt es ſogenannte gute Reiter, ſchlechtere Reiter und vorzuͤgliche Reiter; denn dieſe haben es in ihrer Gewalt, uͤber das geforderte Maß hinaus mehr oder weniger zu leiſten. Das Ausgezeich¬ nete, Kuͤhne, was der Gemeine erſt im Drange der Schlacht, in unausweichlicher Gefahr und Noth unwillkuͤrlich und unbewußt thut, die gro¬ ßen Saͤtze und Spruͤnge uͤbt der Offizier alle Tage zu ſeinem Vergnuͤgen, aus freiem Willen und gewiſſermaßen theoretiſch: doch fern ſei es von ihm, daß er deswegen allmaͤchtig ſei und nicht trotz allem Muth und aller ſeiner Kunſt von einem erſchreckten Pferde einmal abgeworfen,
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aus, keiner bleibt zuruͤck, und um das Bild von
einem tuͤchtigen und geſunden Schlendrian des
gemeinen Lebens vollſtaͤndig zu machen, kommen
ihnen die zuſammengedraͤngten und in die Reihe
gewoͤhnten Pferde auf halbem Wege entgegen,
und was der Reiter etwa verſaͤumen ſollte, thut
unfehlbar ſein Organ, das Pferd, von ſelbſt. Erſt
wo dieſer Zwang und Schlendrian, oder das bit¬
ter Nothwendige der Maſſe aufhoͤrt und wo die
Freiheit beginnt, beim hochloͤblichen Offiziercorps,
giebt es ſogenannte gute Reiter, ſchlechtere Reiter
und vorzuͤgliche Reiter; denn dieſe haben es in
ihrer Gewalt, uͤber das geforderte Maß hinaus
mehr oder weniger zu leiſten. Das Ausgezeich¬
nete, Kuͤhne, was der Gemeine erſt im Drange
der Schlacht, in unausweichlicher Gefahr und
Noth unwillkuͤrlich und unbewußt thut, die gro¬
ßen Saͤtze und Spruͤnge uͤbt der Offizier alle
Tage zu ſeinem Vergnuͤgen, aus freiem Willen
und gewiſſermaßen theoretiſch: doch fern ſei es
von ihm, daß er deswegen allmaͤchtig ſei und
nicht trotz allem Muth und aller ſeiner Kunſt
von einem erſchreckten Pferde einmal abgeworfen,
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/87>, abgerufen am 26.11.2024.
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