und erst wenn sie ihre vergängliche Bestimmung erfüllt haben, erinnert man sich wieder an das Holz, aus welchem sie gemacht, und man sagt beim Anblicke ihrer Trümmer: dies ist altes Tan¬ nenholz, lasset es uns verbrennen; Alles zu seiner Zeit!
Ihre Zeit hat auch die Rose. Wer wird, wenn sie erblüht, um sie herum springen und ru¬ fen: He! Dies ist nichts als Pottasche und einige andere Stoffe, in den Boden damit, auf daß der unsterbliche Stoffwechsel nicht aufgehalten werde! Nein, man sagt: Dies ist zur Zeit eine Rose für uns und nichts Anderes, freuen wir uns ihrer, so lange sie blüht!
Während Schiller, der idealste Dichter einer großen Nation, seine unsterblichen Werke schrieb, konnte er nicht anders arbeiten, als wenn eine Schublade seines Schreibtisches gänzlich mit fau¬ len Aepfeln angefüllt war, deren Ausdünstung er begierig einathmete, und Goethe, den großen Rea¬ listen, befiel eine halbe Ohnmacht, als er sich einst an Schiller's Schreibtisch setzte. So nieder¬ schlagend dieser ausgesuchte Fall für alle verklär¬
und erſt wenn ſie ihre vergaͤngliche Beſtimmung erfuͤllt haben, erinnert man ſich wieder an das Holz, aus welchem ſie gemacht, und man ſagt beim Anblicke ihrer Truͤmmer: dies iſt altes Tan¬ nenholz, laſſet es uns verbrennen; Alles zu ſeiner Zeit!
Ihre Zeit hat auch die Roſe. Wer wird, wenn ſie erbluͤht, um ſie herum ſpringen und ru¬ fen: He! Dies iſt nichts als Pottaſche und einige andere Stoffe, in den Boden damit, auf daß der unſterbliche Stoffwechſel nicht aufgehalten werde! Nein, man ſagt: Dies iſt zur Zeit eine Roſe fuͤr uns und nichts Anderes, freuen wir uns ihrer, ſo lange ſie bluͤht!
Waͤhrend Schiller, der idealſte Dichter einer großen Nation, ſeine unſterblichen Werke ſchrieb, konnte er nicht anders arbeiten, als wenn eine Schublade ſeines Schreibtiſches gaͤnzlich mit fau¬ len Aepfeln angefuͤllt war, deren Ausduͤnſtung er begierig einathmete, und Goethe, den großen Rea¬ liſten, befiel eine halbe Ohnmacht, als er ſich einſt an Schiller's Schreibtiſch ſetzte. So nieder¬ ſchlagend dieſer ausgeſuchte Fall fuͤr alle verklaͤr¬
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und erſt wenn ſie ihre vergaͤngliche Beſtimmung
erfuͤllt haben, erinnert man ſich wieder an das
Holz, aus welchem ſie gemacht, und man ſagt
beim Anblicke ihrer Truͤmmer: dies iſt altes Tan¬
nenholz, laſſet es uns verbrennen; Alles zu ſeiner
Zeit!
Ihre Zeit hat auch die Roſe. Wer wird,
wenn ſie erbluͤht, um ſie herum ſpringen und ru¬
fen: He! Dies iſt nichts als Pottaſche und einige
andere Stoffe, in den Boden damit, auf daß der
unſterbliche Stoffwechſel nicht aufgehalten werde!
Nein, man ſagt: Dies iſt zur Zeit eine Roſe fuͤr
uns und nichts Anderes, freuen wir uns ihrer,
ſo lange ſie bluͤht!
Waͤhrend Schiller, der idealſte Dichter einer
großen Nation, ſeine unſterblichen Werke ſchrieb,
konnte er nicht anders arbeiten, als wenn eine
Schublade ſeines Schreibtiſches gaͤnzlich mit fau¬
len Aepfeln angefuͤllt war, deren Ausduͤnſtung er
begierig einathmete, und Goethe, den großen Rea¬
liſten, befiel eine halbe Ohnmacht, als er ſich
einſt an Schiller's Schreibtiſch ſetzte. So nieder¬
ſchlagend dieſer ausgeſuchte Fall fuͤr alle verklaͤr¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/81>, abgerufen am 25.11.2024.
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