Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Einzelnen, der ihr etwas vorsagen will, und die¬
ser, muthvoll ausharrend, kehrt sein bestes We¬
sen heraus, um zu siegen. Er denke aber nicht,
ihr Meister zu sein; denn vor ihm sind Andere
da gewesen, nach ihm werden Andere kommen,
und Jeder wurde von der Menge geboren; er
ist ein Theil von ihr, welchen sie sich gegenüber
stellt, um mit ihm, ihrem Kind und Eigenthum,
ein erbauliches Selbstgespräch zu führen. Jede
wahre Volksrede ist nur ein Monolog, den das
Volk selber hält. Glücklich aber, wer in seinem
Lande ein Spiegel seines Volkes sein kann, der
nichts widerspiegelt, als dies Volk, indessen die¬
ses selbst nur ein kleiner heller Spiegel der wei¬
ten lebendigen Welt ist!"


30 *

Einzelnen, der ihr etwas vorſagen will, und die¬
ſer, muthvoll ausharrend, kehrt ſein beſtes We¬
ſen heraus, um zu ſiegen. Er denke aber nicht,
ihr Meiſter zu ſein; denn vor ihm ſind Andere
da geweſen, nach ihm werden Andere kommen,
und Jeder wurde von der Menge geboren; er
iſt ein Theil von ihr, welchen ſie ſich gegenuͤber
ſtellt, um mit ihm, ihrem Kind und Eigenthum,
ein erbauliches Selbſtgeſpraͤch zu fuͤhren. Jede
wahre Volksrede iſt nur ein Monolog, den das
Volk ſelber haͤlt. Gluͤcklich aber, wer in ſeinem
Lande ein Spiegel ſeines Volkes ſein kann, der
nichts widerſpiegelt, als dies Volk, indeſſen die¬
ſes ſelbſt nur ein kleiner heller Spiegel der wei¬
ten lebendigen Welt iſt!«


30 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0477" n="467"/>
Einzelnen, der ihr etwas vor&#x017F;agen will, und die¬<lb/>
&#x017F;er, muthvoll ausharrend, kehrt &#x017F;ein be&#x017F;tes We¬<lb/>
&#x017F;en heraus, um zu &#x017F;iegen. Er denke aber nicht,<lb/>
ihr Mei&#x017F;ter zu &#x017F;ein; denn vor ihm &#x017F;ind Andere<lb/>
da gewe&#x017F;en, nach ihm werden Andere kommen,<lb/>
und Jeder wurde von der Menge geboren; er<lb/>
i&#x017F;t ein Theil von ihr, welchen &#x017F;ie &#x017F;ich gegenu&#x0364;ber<lb/>
&#x017F;tellt, um mit ihm, ihrem Kind und Eigenthum,<lb/>
ein erbauliches Selb&#x017F;tge&#x017F;pra&#x0364;ch zu fu&#x0364;hren. Jede<lb/>
wahre Volksrede i&#x017F;t nur ein Monolog, den das<lb/>
Volk &#x017F;elber ha&#x0364;lt. Glu&#x0364;cklich aber, wer in &#x017F;einem<lb/>
Lande ein Spiegel &#x017F;eines Volkes &#x017F;ein kann, der<lb/>
nichts wider&#x017F;piegelt, als dies Volk, inde&#x017F;&#x017F;en die¬<lb/>
&#x017F;es &#x017F;elb&#x017F;t nur ein kleiner heller Spiegel der wei¬<lb/>
ten lebendigen Welt i&#x017F;t!«</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig">30 *<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[467/0477] Einzelnen, der ihr etwas vorſagen will, und die¬ ſer, muthvoll ausharrend, kehrt ſein beſtes We¬ ſen heraus, um zu ſiegen. Er denke aber nicht, ihr Meiſter zu ſein; denn vor ihm ſind Andere da geweſen, nach ihm werden Andere kommen, und Jeder wurde von der Menge geboren; er iſt ein Theil von ihr, welchen ſie ſich gegenuͤber ſtellt, um mit ihm, ihrem Kind und Eigenthum, ein erbauliches Selbſtgeſpraͤch zu fuͤhren. Jede wahre Volksrede iſt nur ein Monolog, den das Volk ſelber haͤlt. Gluͤcklich aber, wer in ſeinem Lande ein Spiegel ſeines Volkes ſein kann, der nichts widerſpiegelt, als dies Volk, indeſſen die¬ ſes ſelbſt nur ein kleiner heller Spiegel der wei¬ ten lebendigen Welt iſt!« 30 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/477
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/477>, abgerufen am 05.12.2024.