schönsten Kleider hervor und ein feines weißes Hemd mit gestickter Brust. Wie er dieses aus¬ einanderfaltete, wurden zwei daraus, aus den zweien vier, aus den vieren acht, kurz eine Menge der feinsten Leibwäsche breitete sich aus, welche wieder in den Mantelsack zu packen Heinrich sich abmühte, aber vergeblich; immer wurden es mehr Hemden und bedeckten den Boden umher und Heinrich empfand die größte Angst, über diesem sonderbaren Geschäft von seinen Verwandten über¬ rascht zu werden. Endlich ergriff er in der Ver¬ zweiflung eines, um es anzuziehen, und stellte sich schamhaft hinter einen Nußbaum; aber man sah von Hause aus an diese Stelle und er schlich sich beklemmt hinter einen anderen und so immer fort von einem Baume zum anderen, bis er dicht an das Haus gelehnt und sich in den Epheu hin¬ eindrückend in der größten Verwirrung und Eile den Anzug wechselte, die schönen Kleider anzog und doch fast nicht fertig damit werden konnte, und als er es endlich war, befand er sich wieder in der größten Noth, wohin er das traurige Bün¬ del der alten Kleider bergen möge. Wohin er
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ſchoͤnſten Kleider hervor und ein feines weißes Hemd mit geſtickter Bruſt. Wie er dieſes aus¬ einanderfaltete, wurden zwei daraus, aus den zweien vier, aus den vieren acht, kurz eine Menge der feinſten Leibwaͤſche breitete ſich aus, welche wieder in den Mantelſack zu packen Heinrich ſich abmuͤhte, aber vergeblich; immer wurden es mehr Hemden und bedeckten den Boden umher und Heinrich empfand die groͤßte Angſt, uͤber dieſem ſonderbaren Geſchaͤft von ſeinen Verwandten uͤber¬ raſcht zu werden. Endlich ergriff er in der Ver¬ zweiflung eines, um es anzuziehen, und ſtellte ſich ſchamhaft hinter einen Nußbaum; aber man ſah von Hauſe aus an dieſe Stelle und er ſchlich ſich beklemmt hinter einen anderen und ſo immer fort von einem Baume zum anderen, bis er dicht an das Haus gelehnt und ſich in den Epheu hin¬ eindruͤckend in der groͤßten Verwirrung und Eile den Anzug wechſelte, die ſchoͤnen Kleider anzog und doch faſt nicht fertig damit werden konnte, und als er es endlich war, befand er ſich wieder in der groͤßten Noth, wohin er das traurige Buͤn¬ del der alten Kleider bergen moͤge. Wohin er
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ſchoͤnſten Kleider hervor und ein feines weißes
Hemd mit geſtickter Bruſt. Wie er dieſes aus¬
einanderfaltete, wurden zwei daraus, aus den
zweien vier, aus den vieren acht, kurz eine Menge
der feinſten Leibwaͤſche breitete ſich aus, welche
wieder in den Mantelſack zu packen Heinrich ſich
abmuͤhte, aber vergeblich; immer wurden es mehr
Hemden und bedeckten den Boden umher und
Heinrich empfand die groͤßte Angſt, uͤber dieſem
ſonderbaren Geſchaͤft von ſeinen Verwandten uͤber¬
raſcht zu werden. Endlich ergriff er in der Ver¬
zweiflung eines, um es anzuziehen, und ſtellte
ſich ſchamhaft hinter einen Nußbaum; aber man
ſah von Hauſe aus an dieſe Stelle und er ſchlich
ſich beklemmt hinter einen anderen und ſo immer
fort von einem Baume zum anderen, bis er dicht
an das Haus gelehnt und ſich in den Epheu hin¬
eindruͤckend in der groͤßten Verwirrung und Eile
den Anzug wechſelte, die ſchoͤnen Kleider anzog
und doch faſt nicht fertig damit werden konnte,
und als er es endlich war, befand er ſich wieder
in der groͤßten Noth, wohin er das traurige Buͤn¬
del der alten Kleider bergen moͤge. Wohin er
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/237>, abgerufen am 24.11.2024.
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