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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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war und sich ein trauriges Schweigen so in ihm
festgesetzt hatte, daß er dieses nun nicht mehr
brechen zu können meinte, als zugleich mit den
wohlgefälligsten Nachrichten und am besten mit
einer glücklich bestellten Rückkehr. Die Mutter
hatte ihm noch einige Mal geschrieben und die
Hoffnung seiner baldigen Heimkehr jedesmal mit
der Todesanzeige eines Verwandten, Freundes
oder Nachbarn geschlossen, so erst mit derjenigen
des Schulmeisters, des Oheims, dann mit der¬
jenigen alter Leute sowohl wie junger kräftiger
Menschen aus Dorf und Stadt, und zahlreiche
Familienereignisse und Veränderungen, Entfrem¬
dung alter Verhältnisse, Untergang manches be¬
kannten Wohlergehens und Daseins und die Be¬
gründung gänzlich neuer verkündeten vollends dem
fernen Sohne die unerbittliche Flucht der Zeit
und ließen ihn die Vereinsamung seiner Mutter
und den Werth eines jeden Tages doppelt fühlen.
Als sie aber keine Antwort mehr erhielt, schwieg
sie endlich still, und nun sprach diese Stille be¬
redter als alle Briefe in Heinrich's Seele, welcher
sich doch nicht rühren noch regen konnte.

war und ſich ein trauriges Schweigen ſo in ihm
feſtgeſetzt hatte, daß er dieſes nun nicht mehr
brechen zu koͤnnen meinte, als zugleich mit den
wohlgefaͤlligſten Nachrichten und am beſten mit
einer gluͤcklich beſtellten Ruͤckkehr. Die Mutter
hatte ihm noch einige Mal geſchrieben und die
Hoffnung ſeiner baldigen Heimkehr jedesmal mit
der Todesanzeige eines Verwandten, Freundes
oder Nachbarn geſchloſſen, ſo erſt mit derjenigen
des Schulmeiſters, des Oheims, dann mit der¬
jenigen alter Leute ſowohl wie junger kraͤftiger
Menſchen aus Dorf und Stadt, und zahlreiche
Familienereigniſſe und Veraͤnderungen, Entfrem¬
dung alter Verhaͤltniſſe, Untergang manches be¬
kannten Wohlergehens und Daſeins und die Be¬
gruͤndung gaͤnzlich neuer verkuͤndeten vollends dem
fernen Sohne die unerbittliche Flucht der Zeit
und ließen ihn die Vereinſamung ſeiner Mutter
und den Werth eines jeden Tages doppelt fuͤhlen.
Als ſie aber keine Antwort mehr erhielt, ſchwieg
ſie endlich ſtill, und nun ſprach dieſe Stille be¬
redter als alle Briefe in Heinrich's Seele, welcher
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[206/0216] war und ſich ein trauriges Schweigen ſo in ihm feſtgeſetzt hatte, daß er dieſes nun nicht mehr brechen zu koͤnnen meinte, als zugleich mit den wohlgefaͤlligſten Nachrichten und am beſten mit einer gluͤcklich beſtellten Ruͤckkehr. Die Mutter hatte ihm noch einige Mal geſchrieben und die Hoffnung ſeiner baldigen Heimkehr jedesmal mit der Todesanzeige eines Verwandten, Freundes oder Nachbarn geſchloſſen, ſo erſt mit derjenigen des Schulmeiſters, des Oheims, dann mit der¬ jenigen alter Leute ſowohl wie junger kraͤftiger Menſchen aus Dorf und Stadt, und zahlreiche Familienereigniſſe und Veraͤnderungen, Entfrem¬ dung alter Verhaͤltniſſe, Untergang manches be¬ kannten Wohlergehens und Daſeins und die Be¬ gruͤndung gaͤnzlich neuer verkuͤndeten vollends dem fernen Sohne die unerbittliche Flucht der Zeit und ließen ihn die Vereinſamung ſeiner Mutter und den Werth eines jeden Tages doppelt fuͤhlen. Als ſie aber keine Antwort mehr erhielt, ſchwieg ſie endlich ſtill, und nun ſprach dieſe Stille be¬ redter als alle Briefe in Heinrich's Seele, welcher ſich doch nicht ruͤhren noch regen konnte.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/216>, abgerufen am 24.11.2024.