Punkt, da darf nicht gefeiert und nicht gemault werden!" Und er führte und schob ihn in ein noch dunkleres Verlies, das hinter dem Laden lag und sein Licht nur durch eine schmale Schie߬ scharte empfing, die in der feuchten schimmligen Mauer sich aufthat. Als Heinrich sich einiger¬ maßen an diese Dunkelheit gewöhnt, erblickte er das Loch angefüllt mit einer Unzahl hölzerner Stäbe und Stangen, ganz neu, rund und glatt gehobelt, von allen Größen lastweise an den Wän¬ den stehend. Auf einer verjährten längst erlo¬ schenen Feueresse, welche das Denkmal irgend eines Laboranten war, der vielleicht vor hundert Jahren in diesem Finsterniß sein Wesen getrieben, stand ein tüchtiger Eimer voll weißer Leimfarbe inmitten mehrerer Töpfe mit anderen Farben, jeder mit einem mäßigen Streicherpinsel versehen. "In vierzehn Tagen," lispelte der Alte, abwech¬ selnd schreiend, "wird die Braut unseres Kron¬ prinzen in unserer Residenz ihren Einzug halten; die ganze Stadt wird geschmückt und verziert werden, tausende und aber tausende von Fenstern werden mit Fahnen in unseren und den Landes¬
Punkt, da darf nicht gefeiert und nicht gemault werden!« Und er fuͤhrte und ſchob ihn in ein noch dunkleres Verlies, das hinter dem Laden lag und ſein Licht nur durch eine ſchmale Schie߬ ſcharte empfing, die in der feuchten ſchimmligen Mauer ſich aufthat. Als Heinrich ſich einiger¬ maßen an dieſe Dunkelheit gewoͤhnt, erblickte er das Loch angefuͤllt mit einer Unzahl hoͤlzerner Staͤbe und Stangen, ganz neu, rund und glatt gehobelt, von allen Groͤßen laſtweiſe an den Waͤn¬ den ſtehend. Auf einer verjaͤhrten laͤngſt erlo¬ ſchenen Feuereſſe, welche das Denkmal irgend eines Laboranten war, der vielleicht vor hundert Jahren in dieſem Finſterniß ſein Weſen getrieben, ſtand ein tuͤchtiger Eimer voll weißer Leimfarbe inmitten mehrerer Toͤpfe mit anderen Farben, jeder mit einem maͤßigen Streicherpinſel verſehen. »In vierzehn Tagen,« liſpelte der Alte, abwech¬ ſelnd ſchreiend, »wird die Braut unſeres Kron¬ prinzen in unſerer Reſidenz ihren Einzug halten; die ganze Stadt wird geſchmuͤckt und verziert werden, tauſende und aber tauſende von Fenſtern werden mit Fahnen in unſeren und den Landes¬
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Punkt, da darf nicht gefeiert und nicht gemault
werden!« Und er fuͤhrte und ſchob ihn in ein
noch dunkleres Verlies, das hinter dem Laden
lag und ſein Licht nur durch eine ſchmale Schie߬
ſcharte empfing, die in der feuchten ſchimmligen
Mauer ſich aufthat. Als Heinrich ſich einiger¬
maßen an dieſe Dunkelheit gewoͤhnt, erblickte er
das Loch angefuͤllt mit einer Unzahl hoͤlzerner
Staͤbe und Stangen, ganz neu, rund und glatt
gehobelt, von allen Groͤßen laſtweiſe an den Waͤn¬
den ſtehend. Auf einer verjaͤhrten laͤngſt erlo¬
ſchenen Feuereſſe, welche das Denkmal irgend
eines Laboranten war, der vielleicht vor hundert
Jahren in dieſem Finſterniß ſein Weſen getrieben,
ſtand ein tuͤchtiger Eimer voll weißer Leimfarbe
inmitten mehrerer Toͤpfe mit anderen Farben,
jeder mit einem maͤßigen Streicherpinſel verſehen.
»In vierzehn Tagen,« liſpelte der Alte, abwech¬
ſelnd ſchreiend, »wird die Braut unſeres Kron¬
prinzen in unſerer Reſidenz ihren Einzug halten;
die ganze Stadt wird geſchmuͤckt und verziert
werden, tauſende und aber tauſende von Fenſtern
werden mit Fahnen in unſeren und den Landes¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/197>, abgerufen am 22.11.2024.
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