Kunstkenner war, verstand sich um so besser auf die Menschen und schmeichelte dem Widerstrebenden ohne Weiteres die Wahrheit ab, deren er sich, wie er aufmunternd sagte, nicht zu schämen brauche, vielmehr zu rühmen hätte; denn die Sachen schienen ihm in der That gar nicht übel und er wolle es wagen und etwas Erkleckliches daran wenden. Er gab ihm auch so viel dafür, daß Heinrich einen oder zwei Tage davon leben konnte, und diesem schien das ein Gewinn, dessen er froh war, obschon er seinerzeit lust- und fleißerfüllte Wochen über diesen Sachen zugebracht hatte. Jetzt aber wog er das erhaltene winzige Sümmchen nicht gegen den Werth seiner Arbeiten ab, sondern gegen die Noth des Augenblickes, und da erschien ihm denn der ärmliche Handels¬ mann mit seiner kleinen Casse noch als ein freund¬ licher Wohlthäter; denn er hätte ihn ja auch ab¬ weisen können, und das Wenige, was er mit gutem Willen und gutmüthigen Geberden gab, war so viel, als wenn jene reichen Bilderhändler erkleck¬ liche Summen für eine Laune oder Speculation ihres eben so unsicheren Geschmackes hingaben.
Kunſtkenner war, verſtand ſich um ſo beſſer auf die Menſchen und ſchmeichelte dem Widerſtrebenden ohne Weiteres die Wahrheit ab, deren er ſich, wie er aufmunternd ſagte, nicht zu ſchaͤmen brauche, vielmehr zu ruͤhmen haͤtte; denn die Sachen ſchienen ihm in der That gar nicht uͤbel und er wolle es wagen und etwas Erkleckliches daran wenden. Er gab ihm auch ſo viel dafuͤr, daß Heinrich einen oder zwei Tage davon leben konnte, und dieſem ſchien das ein Gewinn, deſſen er froh war, obſchon er ſeinerzeit luſt- und fleißerfuͤllte Wochen uͤber dieſen Sachen zugebracht hatte. Jetzt aber wog er das erhaltene winzige Suͤmmchen nicht gegen den Werth ſeiner Arbeiten ab, ſondern gegen die Noth des Augenblickes, und da erſchien ihm denn der aͤrmliche Handels¬ mann mit ſeiner kleinen Caſſe noch als ein freund¬ licher Wohlthaͤter; denn er haͤtte ihn ja auch ab¬ weiſen koͤnnen, und das Wenige, was er mit gutem Willen und gutmuͤthigen Geberden gab, war ſo viel, als wenn jene reichen Bilderhaͤndler erkleck¬ liche Summen fuͤr eine Laune oder Speculation ihres eben ſo unſicheren Geſchmackes hingaben.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0180"n="170"/>
Kunſtkenner war, verſtand ſich um ſo beſſer auf<lb/>
die Menſchen und ſchmeichelte dem Widerſtrebenden<lb/>
ohne Weiteres die Wahrheit ab, deren er ſich,<lb/>
wie er aufmunternd ſagte, nicht zu ſchaͤmen<lb/>
brauche, vielmehr zu ruͤhmen haͤtte; denn die<lb/>
Sachen ſchienen ihm in der That gar nicht uͤbel<lb/>
und er wolle es wagen und etwas Erkleckliches<lb/>
daran wenden. Er gab ihm auch ſo viel dafuͤr,<lb/>
daß Heinrich einen oder zwei Tage davon leben<lb/>
konnte, und dieſem ſchien das ein Gewinn, deſſen<lb/>
er froh war, obſchon er ſeinerzeit luſt- und<lb/>
fleißerfuͤllte Wochen uͤber dieſen Sachen zugebracht<lb/>
hatte. Jetzt aber wog er das erhaltene winzige<lb/>
Suͤmmchen nicht gegen den Werth ſeiner Arbeiten<lb/>
ab, ſondern gegen die Noth des Augenblickes,<lb/>
und da erſchien ihm denn der aͤrmliche Handels¬<lb/>
mann mit ſeiner kleinen Caſſe noch als ein freund¬<lb/>
licher Wohlthaͤter; denn er haͤtte ihn ja auch ab¬<lb/>
weiſen koͤnnen, und das Wenige, was er mit gutem<lb/>
Willen und gutmuͤthigen Geberden gab, war ſo<lb/>
viel, als wenn jene reichen Bilderhaͤndler erkleck¬<lb/>
liche Summen fuͤr eine Laune oder Speculation<lb/>
ihres eben ſo unſicheren Geſchmackes hingaben.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[170/0180]
Kunſtkenner war, verſtand ſich um ſo beſſer auf
die Menſchen und ſchmeichelte dem Widerſtrebenden
ohne Weiteres die Wahrheit ab, deren er ſich,
wie er aufmunternd ſagte, nicht zu ſchaͤmen
brauche, vielmehr zu ruͤhmen haͤtte; denn die
Sachen ſchienen ihm in der That gar nicht uͤbel
und er wolle es wagen und etwas Erkleckliches
daran wenden. Er gab ihm auch ſo viel dafuͤr,
daß Heinrich einen oder zwei Tage davon leben
konnte, und dieſem ſchien das ein Gewinn, deſſen
er froh war, obſchon er ſeinerzeit luſt- und
fleißerfuͤllte Wochen uͤber dieſen Sachen zugebracht
hatte. Jetzt aber wog er das erhaltene winzige
Suͤmmchen nicht gegen den Werth ſeiner Arbeiten
ab, ſondern gegen die Noth des Augenblickes,
und da erſchien ihm denn der aͤrmliche Handels¬
mann mit ſeiner kleinen Caſſe noch als ein freund¬
licher Wohlthaͤter; denn er haͤtte ihn ja auch ab¬
weiſen koͤnnen, und das Wenige, was er mit gutem
Willen und gutmuͤthigen Geberden gab, war ſo
viel, als wenn jene reichen Bilderhaͤndler erkleck¬
liche Summen fuͤr eine Laune oder Speculation
ihres eben ſo unſicheren Geſchmackes hingaben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/180>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.