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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Am Morgen stand er in aller Frühe auf und
pfiff, so gut es mit seiner immer ängstlicher
schnappenden Lunge gehen mochte, munter ein
Liedchen; es war ihm, als ob jetzt eine gute
Mahlzeit alsogleich vor der Thür sein müsse,
denn weiter als an eine solche dachte er nicht
mehr. Zugleich ergriff er unwillkürlich ein statt¬
liches und höchst inhaltreiches Buch, das da zu¬
nächst bestaubt auf einer Tischecke lag, ging damit
zu einem Büchertrödler, dem er schon manches
Buch abgekauft hatte, und trug einige Augenblicke
darauf mehrere nagelneue blanke Guldenstücke da¬
von, welche der gute Jude freundlich aus seinem
ledernen Beutelchen geklaubt. Heinrich hatte die
lieblichen Münzen nur beim Uebergang aus des
Juden Tasche in die seinige flüchtig blinken ge¬
sehen ; aber dies Blinken machte auf ihn in seiner
Leibesschwäche vollkommen den Eindruck, wie der
Sonnenaufblitz eines unmittelbaren allernächsten
Wunders. Er gewann auch unmittelbar durch
diesen bloßen Eindruck einige Lebensgeister, so daß
er, obgleich es nun schon der vierte Fasttag war,
sich vornahm, doch nicht vor Mittag zu Tische zu

Am Morgen ſtand er in aller Fruͤhe auf und
pfiff, ſo gut es mit ſeiner immer aͤngſtlicher
ſchnappenden Lunge gehen mochte, munter ein
Liedchen; es war ihm, als ob jetzt eine gute
Mahlzeit alſogleich vor der Thuͤr ſein muͤſſe,
denn weiter als an eine ſolche dachte er nicht
mehr. Zugleich ergriff er unwillkuͤrlich ein ſtatt¬
liches und hoͤchſt inhaltreiches Buch, das da zu¬
naͤchſt beſtaubt auf einer Tiſchecke lag, ging damit
zu einem Buͤchertroͤdler, dem er ſchon manches
Buch abgekauft hatte, und trug einige Augenblicke
darauf mehrere nagelneue blanke Guldenſtuͤcke da¬
von, welche der gute Jude freundlich aus ſeinem
ledernen Beutelchen geklaubt. Heinrich hatte die
lieblichen Muͤnzen nur beim Uebergang aus des
Juden Taſche in die ſeinige fluͤchtig blinken ge¬
ſehen ; aber dies Blinken machte auf ihn in ſeiner
Leibesſchwaͤche vollkommen den Eindruck, wie der
Sonnenaufblitz eines unmittelbaren allernaͤchſten
Wunders. Er gewann auch unmittelbar durch
dieſen bloßen Eindruck einige Lebensgeiſter, ſo daß
er, obgleich es nun ſchon der vierte Faſttag war,
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[160/0170] Am Morgen ſtand er in aller Fruͤhe auf und pfiff, ſo gut es mit ſeiner immer aͤngſtlicher ſchnappenden Lunge gehen mochte, munter ein Liedchen; es war ihm, als ob jetzt eine gute Mahlzeit alſogleich vor der Thuͤr ſein muͤſſe, denn weiter als an eine ſolche dachte er nicht mehr. Zugleich ergriff er unwillkuͤrlich ein ſtatt¬ liches und hoͤchſt inhaltreiches Buch, das da zu¬ naͤchſt beſtaubt auf einer Tiſchecke lag, ging damit zu einem Buͤchertroͤdler, dem er ſchon manches Buch abgekauft hatte, und trug einige Augenblicke darauf mehrere nagelneue blanke Guldenſtuͤcke da¬ von, welche der gute Jude freundlich aus ſeinem ledernen Beutelchen geklaubt. Heinrich hatte die lieblichen Muͤnzen nur beim Uebergang aus des Juden Taſche in die ſeinige fluͤchtig blinken ge¬ ſehen ; aber dies Blinken machte auf ihn in ſeiner Leibesſchwaͤche vollkommen den Eindruck, wie der Sonnenaufblitz eines unmittelbaren allernaͤchſten Wunders. Er gewann auch unmittelbar durch dieſen bloßen Eindruck einige Lebensgeiſter, ſo daß er, obgleich es nun ſchon der vierte Faſttag war, ſich vornahm, doch nicht vor Mittag zu Tiſche zu

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/170>, abgerufen am 29.11.2024.