Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

gehalten, Alles aus der gleichen Rücksicht, und hätte
seine Vorsicht mit dem lebendigen Gefühl der
Kindespflicht gerechtfertigt. Heinrich aber, da
er dies nicht that, befand sich nach dem Feste
wieder wie vorher, und wenn er sich darüber
nicht verwunderte oder grämte, so geschah dies
nur, weil seine Gedanken und Sorgen durch jene
anderweitigen Folgen der übel abgelaufenen Lust¬
barkeit abgelenkt wurden.

Er lebte also von Neuem auf Borg, und da
er diese Lebensart nun schon eingeübt hatte, auch
dieselbe nach der stattgehabten Abrechnung treff¬
lich von Statten ging, Heinrich zugleich aber nicht
mehr an der zusammenhaltenden Handarbeit saß
und auch nicht mehr mit solchen Freunden um¬
ging, die den Tag über an zurückgezogener werk¬
thätiger Arbeit saßen, sondern mit allerlei studi¬
rendem, oft halbmüßigem Volke, so gewann dies
neue Schuldenwesen wieder einen anderen An¬
strich als das frühere; je weniger er bei seinem
neuen Treiben ein nahes Ziel und eine Auskunft
vor sich sah, desto mehr verlor und vergaß er sein
armes Muttergut und den Mutterwitz der ökono¬

gehalten, Alles aus der gleichen Ruͤckſicht, und haͤtte
ſeine Vorſicht mit dem lebendigen Gefuͤhl der
Kindespflicht gerechtfertigt. Heinrich aber, da
er dies nicht that, befand ſich nach dem Feſte
wieder wie vorher, und wenn er ſich daruͤber
nicht verwunderte oder graͤmte, ſo geſchah dies
nur, weil ſeine Gedanken und Sorgen durch jene
anderweitigen Folgen der uͤbel abgelaufenen Luſt¬
barkeit abgelenkt wurden.

Er lebte alſo von Neuem auf Borg, und da
er dieſe Lebensart nun ſchon eingeuͤbt hatte, auch
dieſelbe nach der ſtattgehabten Abrechnung treff¬
lich von Statten ging, Heinrich zugleich aber nicht
mehr an der zuſammenhaltenden Handarbeit ſaß
und auch nicht mehr mit ſolchen Freunden um¬
ging, die den Tag uͤber an zuruͤckgezogener werk¬
thaͤtiger Arbeit ſaßen, ſondern mit allerlei ſtudi¬
rendem, oft halbmuͤßigem Volke, ſo gewann dies
neue Schuldenweſen wieder einen anderen An¬
ſtrich als das fruͤhere; je weniger er bei ſeinem
neuen Treiben ein nahes Ziel und eine Auskunft
vor ſich ſah, deſto mehr verlor und vergaß er ſein
armes Muttergut und den Mutterwitz der oͤkono¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0153" n="143"/>
gehalten, Alles aus der gleichen Ru&#x0364;ck&#x017F;icht, und ha&#x0364;tte<lb/>
&#x017F;eine Vor&#x017F;icht mit dem lebendigen Gefu&#x0364;hl der<lb/>
Kindespflicht gerechtfertigt. Heinrich aber, da<lb/>
er dies nicht that, befand &#x017F;ich nach dem Fe&#x017F;te<lb/>
wieder wie vorher, und wenn er &#x017F;ich daru&#x0364;ber<lb/>
nicht verwunderte oder gra&#x0364;mte, &#x017F;o ge&#x017F;chah dies<lb/>
nur, weil &#x017F;eine Gedanken und Sorgen durch jene<lb/>
anderweitigen Folgen der u&#x0364;bel abgelaufenen Lu&#x017F;<lb/>
barkeit abgelenkt wurden.</p><lb/>
        <p>Er lebte al&#x017F;o von Neuem auf Borg, und da<lb/>
er die&#x017F;e Lebensart nun &#x017F;chon eingeu&#x0364;bt hatte, auch<lb/>
die&#x017F;elbe nach der &#x017F;tattgehabten Abrechnung treff¬<lb/>
lich von Statten ging, Heinrich zugleich aber nicht<lb/>
mehr an der zu&#x017F;ammenhaltenden Handarbeit &#x017F;<lb/>
und auch nicht mehr mit &#x017F;olchen Freunden um¬<lb/>
ging, die den Tag u&#x0364;ber an zuru&#x0364;ckgezogener werk¬<lb/>
tha&#x0364;tiger Arbeit &#x017F;aßen, &#x017F;ondern mit allerlei &#x017F;tudi¬<lb/>
rendem, oft halbmu&#x0364;ßigem Volke, &#x017F;o gewann dies<lb/>
neue Schuldenwe&#x017F;en wieder einen anderen An¬<lb/>
&#x017F;trich als das fru&#x0364;here; je weniger er bei &#x017F;einem<lb/>
neuen Treiben ein nahes Ziel und eine Auskunft<lb/>
vor &#x017F;ich &#x017F;ah, de&#x017F;to mehr verlor und vergaß er &#x017F;ein<lb/>
armes Muttergut und den Mutterwitz der o&#x0364;kono¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0153] gehalten, Alles aus der gleichen Ruͤckſicht, und haͤtte ſeine Vorſicht mit dem lebendigen Gefuͤhl der Kindespflicht gerechtfertigt. Heinrich aber, da er dies nicht that, befand ſich nach dem Feſte wieder wie vorher, und wenn er ſich daruͤber nicht verwunderte oder graͤmte, ſo geſchah dies nur, weil ſeine Gedanken und Sorgen durch jene anderweitigen Folgen der uͤbel abgelaufenen Luſt¬ barkeit abgelenkt wurden. Er lebte alſo von Neuem auf Borg, und da er dieſe Lebensart nun ſchon eingeuͤbt hatte, auch dieſelbe nach der ſtattgehabten Abrechnung treff¬ lich von Statten ging, Heinrich zugleich aber nicht mehr an der zuſammenhaltenden Handarbeit ſaß und auch nicht mehr mit ſolchen Freunden um¬ ging, die den Tag uͤber an zuruͤckgezogener werk¬ thaͤtiger Arbeit ſaßen, ſondern mit allerlei ſtudi¬ rendem, oft halbmuͤßigem Volke, ſo gewann dies neue Schuldenweſen wieder einen anderen An¬ ſtrich als das fruͤhere; je weniger er bei ſeinem neuen Treiben ein nahes Ziel und eine Auskunft vor ſich ſah, deſto mehr verlor und vergaß er ſein armes Muttergut und den Mutterwitz der oͤkono¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/153
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/153>, abgerufen am 27.04.2024.