gleich jenen rüstigen Weltmenschen, welche sich desto mehr mit einem glückhaften Erwerbe brüsten, je werthloser und thörichter das ist, was sie leisten und durch irgend eine verkehrte Laune des Ge¬ schmackes unterzubringen wissen.
Während er aber solche stolze Ehrlichkeit be¬ saß, besann er sich, da er Credit fand als ein un¬ bescholtener junger Mensch, gar nicht, Schulden zu machen, und fand es ganz in der Ordnung, auf diese Weise bequem und ohne weiteres Kopf¬ zerbrechen das zweite Jahr hindurch zu leben.
Die Schulden sind für den modernen Men¬ schen eine ordentliche hohe Schule, in welcher sich sein Charakter auf das Trefflichste entwickeln und bewähren, oder in welcher er, falls dieser von Hause aus fest ist, sein Urtheil und seine An¬ schauungsweise der Welt gründen und reguliren kann. Jener beliebte Paragraph in den gang und gäben Verhaltungslehren "eines Vaters an seinen Sohn": Borge von Niemandem, aber borge auch Niemandem, denn das Borgen ent¬ fremdet die besten Freunde und stört alle Ver¬ hältnisse! ist ein gedankenloser, schäbiger Para¬
gleich jenen ruͤſtigen Weltmenſchen, welche ſich deſto mehr mit einem gluͤckhaften Erwerbe bruͤſten, je werthloſer und thoͤrichter das iſt, was ſie leiſten und durch irgend eine verkehrte Laune des Ge¬ ſchmackes unterzubringen wiſſen.
Waͤhrend er aber ſolche ſtolze Ehrlichkeit be¬ ſaß, beſann er ſich, da er Credit fand als ein un¬ beſcholtener junger Menſch, gar nicht, Schulden zu machen, und fand es ganz in der Ordnung, auf dieſe Weiſe bequem und ohne weiteres Kopf¬ zerbrechen das zweite Jahr hindurch zu leben.
Die Schulden ſind fuͤr den modernen Men¬ ſchen eine ordentliche hohe Schule, in welcher ſich ſein Charakter auf das Trefflichſte entwickeln und bewaͤhren, oder in welcher er, falls dieſer von Hauſe aus feſt iſt, ſein Urtheil und ſeine An¬ ſchauungsweiſe der Welt gruͤnden und reguliren kann. Jener beliebte Paragraph in den gang und gaͤben Verhaltungslehren »eines Vaters an ſeinen Sohn«: Borge von Niemandem, aber borge auch Niemandem, denn das Borgen ent¬ fremdet die beſten Freunde und ſtoͤrt alle Ver¬ haͤltniſſe! iſt ein gedankenloſer, ſchaͤbiger Para¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0145"n="135"/>
gleich jenen ruͤſtigen Weltmenſchen, welche ſich<lb/>
deſto mehr mit einem gluͤckhaften Erwerbe bruͤſten,<lb/>
je werthloſer und thoͤrichter das iſt, was ſie leiſten<lb/>
und durch irgend eine verkehrte Laune des Ge¬<lb/>ſchmackes unterzubringen wiſſen.</p><lb/><p>Waͤhrend er aber ſolche ſtolze Ehrlichkeit be¬<lb/>ſaß, beſann er ſich, da er Credit fand als ein un¬<lb/>
beſcholtener junger Menſch, gar nicht, Schulden<lb/>
zu machen, und fand es ganz in der Ordnung,<lb/>
auf dieſe Weiſe bequem und ohne weiteres Kopf¬<lb/>
zerbrechen das zweite Jahr hindurch zu leben.</p><lb/><p>Die Schulden ſind fuͤr den modernen Men¬<lb/>ſchen eine ordentliche hohe Schule, in welcher ſich<lb/>ſein Charakter auf das Trefflichſte entwickeln und<lb/>
bewaͤhren, oder in welcher er, falls dieſer von<lb/>
Hauſe aus feſt iſt, <hirendition="#g">ſein</hi> Urtheil und <hirendition="#g">ſeine</hi> An¬<lb/>ſchauungsweiſe der Welt gruͤnden und reguliren<lb/>
kann. Jener beliebte Paragraph in den gang<lb/>
und gaͤben Verhaltungslehren »eines Vaters an<lb/>ſeinen Sohn«: Borge von Niemandem, aber<lb/>
borge auch Niemandem, denn das Borgen ent¬<lb/>
fremdet die beſten Freunde und ſtoͤrt alle Ver¬<lb/>
haͤltniſſe! iſt ein gedankenloſer, ſchaͤbiger Para¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[135/0145]
gleich jenen ruͤſtigen Weltmenſchen, welche ſich
deſto mehr mit einem gluͤckhaften Erwerbe bruͤſten,
je werthloſer und thoͤrichter das iſt, was ſie leiſten
und durch irgend eine verkehrte Laune des Ge¬
ſchmackes unterzubringen wiſſen.
Waͤhrend er aber ſolche ſtolze Ehrlichkeit be¬
ſaß, beſann er ſich, da er Credit fand als ein un¬
beſcholtener junger Menſch, gar nicht, Schulden
zu machen, und fand es ganz in der Ordnung,
auf dieſe Weiſe bequem und ohne weiteres Kopf¬
zerbrechen das zweite Jahr hindurch zu leben.
Die Schulden ſind fuͤr den modernen Men¬
ſchen eine ordentliche hohe Schule, in welcher ſich
ſein Charakter auf das Trefflichſte entwickeln und
bewaͤhren, oder in welcher er, falls dieſer von
Hauſe aus feſt iſt, ſein Urtheil und ſeine An¬
ſchauungsweiſe der Welt gruͤnden und reguliren
kann. Jener beliebte Paragraph in den gang
und gaͤben Verhaltungslehren »eines Vaters an
ſeinen Sohn«: Borge von Niemandem, aber
borge auch Niemandem, denn das Borgen ent¬
fremdet die beſten Freunde und ſtoͤrt alle Ver¬
haͤltniſſe! iſt ein gedankenloſer, ſchaͤbiger Para¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/145>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.