gewesen, die kranke Schöne in ihrer Behausung unterzubringen.
Als einige Tage verflossen waren und die Blume jenes Gerüchtes völlig aufgegangen, ver¬ sammelte der Gottesmacher einige Musikgenossen, mit welchen er gewöhnlich Quartett spielte, und übte mit ihnen einen ganzen Tag lang. Am Abend führte er sie vor Agnesens kunstreiches Häuschen; der Violoncellist, welcher ein Land¬ schafter war, hatte seinen Feldstuhl mitgenommen und setzte sich auf denselben zum Spiele, die anderen Drei standen neben ihm, und nachdem sie leise und sorgfältig die Saiten gestimmt, erklan¬ gen die harmonischen, gehaltenen Töne der Geigen über den kleinen, stillen Platz. Augenblicklich öff¬ neten sich alle Fenster in der Runde, die Nach¬ baren steckten neugierig entzückt die Köpfe in die laue Märznacht hinaus, und die Frauen und Mäd¬ chen spähten, wem die unerwartete Serenade gel¬ ten möchte.
Die Musiker spielten einige ernste, klagende Stellen aus älteren Tonwerken, deren edle, kräf¬ tige Unbefangenheit süß und wohllautend das
1 *
geweſen, die kranke Schoͤne in ihrer Behauſung unterzubringen.
Als einige Tage verfloſſen waren und die Blume jenes Geruͤchtes voͤllig aufgegangen, ver¬ ſammelte der Gottesmacher einige Muſikgenoſſen, mit welchen er gewoͤhnlich Quartett ſpielte, und uͤbte mit ihnen einen ganzen Tag lang. Am Abend fuͤhrte er ſie vor Agneſens kunſtreiches Haͤuschen; der Violoncelliſt, welcher ein Land¬ ſchafter war, hatte ſeinen Feldſtuhl mitgenommen und ſetzte ſich auf denſelben zum Spiele, die anderen Drei ſtanden neben ihm, und nachdem ſie leiſe und ſorgfaͤltig die Saiten geſtimmt, erklan¬ gen die harmoniſchen, gehaltenen Toͤne der Geigen uͤber den kleinen, ſtillen Platz. Augenblicklich oͤff¬ neten ſich alle Fenſter in der Runde, die Nach¬ baren ſteckten neugierig entzuͤckt die Koͤpfe in die laue Maͤrznacht hinaus, und die Frauen und Maͤd¬ chen ſpaͤhten, wem die unerwartete Serenade gel¬ ten moͤchte.
Die Muſiker ſpielten einige ernſte, klagende Stellen aus aͤlteren Tonwerken, deren edle, kraͤf¬ tige Unbefangenheit ſuͤß und wohllautend das
1 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0013"n="3"/>
geweſen, die kranke Schoͤne in ihrer Behauſung<lb/>
unterzubringen.</p><lb/><p>Als einige Tage verfloſſen waren und die<lb/>
Blume jenes Geruͤchtes voͤllig aufgegangen, ver¬<lb/>ſammelte der Gottesmacher einige Muſikgenoſſen,<lb/>
mit welchen er gewoͤhnlich Quartett ſpielte, und<lb/>
uͤbte mit ihnen einen ganzen Tag lang. Am<lb/>
Abend fuͤhrte er ſie vor Agneſens kunſtreiches<lb/>
Haͤuschen; der Violoncelliſt, welcher ein Land¬<lb/>ſchafter war, hatte ſeinen Feldſtuhl mitgenommen<lb/>
und ſetzte ſich auf denſelben zum Spiele, die<lb/>
anderen Drei ſtanden neben ihm, und nachdem ſie<lb/>
leiſe und ſorgfaͤltig die Saiten geſtimmt, erklan¬<lb/>
gen die harmoniſchen, gehaltenen Toͤne der Geigen<lb/>
uͤber den kleinen, ſtillen Platz. Augenblicklich oͤff¬<lb/>
neten ſich alle Fenſter in der Runde, die Nach¬<lb/>
baren ſteckten neugierig entzuͤckt die Koͤpfe in die<lb/>
laue Maͤrznacht hinaus, und die Frauen und Maͤd¬<lb/>
chen ſpaͤhten, wem die unerwartete Serenade gel¬<lb/>
ten moͤchte.</p><lb/><p>Die Muſiker ſpielten einige ernſte, klagende<lb/>
Stellen aus aͤlteren Tonwerken, deren edle, kraͤf¬<lb/>
tige Unbefangenheit ſuͤß und wohllautend das<lb/><fwplace="bottom"type="sig">1 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[3/0013]
geweſen, die kranke Schoͤne in ihrer Behauſung
unterzubringen.
Als einige Tage verfloſſen waren und die
Blume jenes Geruͤchtes voͤllig aufgegangen, ver¬
ſammelte der Gottesmacher einige Muſikgenoſſen,
mit welchen er gewoͤhnlich Quartett ſpielte, und
uͤbte mit ihnen einen ganzen Tag lang. Am
Abend fuͤhrte er ſie vor Agneſens kunſtreiches
Haͤuschen; der Violoncelliſt, welcher ein Land¬
ſchafter war, hatte ſeinen Feldſtuhl mitgenommen
und ſetzte ſich auf denſelben zum Spiele, die
anderen Drei ſtanden neben ihm, und nachdem ſie
leiſe und ſorgfaͤltig die Saiten geſtimmt, erklan¬
gen die harmoniſchen, gehaltenen Toͤne der Geigen
uͤber den kleinen, ſtillen Platz. Augenblicklich oͤff¬
neten ſich alle Fenſter in der Runde, die Nach¬
baren ſteckten neugierig entzuͤckt die Koͤpfe in die
laue Maͤrznacht hinaus, und die Frauen und Maͤd¬
chen ſpaͤhten, wem die unerwartete Serenade gel¬
ten moͤchte.
Die Muſiker ſpielten einige ernſte, klagende
Stellen aus aͤlteren Tonwerken, deren edle, kraͤf¬
tige Unbefangenheit ſuͤß und wohllautend das
1 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/13>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.