Tyranneien und Mißhandlungen war. Er, der vor Aller Augen auf dem mächtigsten Throne Europas hätte sitzen sollen von mehr als Eines Rechtes wegen, wurde durch einen geheimnißvollen Zwang gleich einem gebannten Dämon in Ver¬ borgenheit und Armuth gehalten, daß er kein Glied ohne den Willen seiner Tyrannen rühren konnte, während sie ihm täglich gerade so viel von seinem Genius abzapften, als sie zu ihrer kleinlichen Weltbesorgung gebrauchten. Freilich, wäre er zu seinem Recht und zu seiner Freiheit gekommen, so würde im selben Augenblicke die Mäusewirthschaft aufgehört haben und ein freies, lichtes und glückliches Zeitalter angebrochen sein. Allein die winzigen Dosen seines Geistes, welche nun so tropfenweise verwandt würden, sammelten sich doch allmälig zu einem allmächtigen Meere, indem es ihre Art sei, daß keine davon wieder vergehen oder aufgehoben werden könne, und in jenem allbezwingenden Meere werde sein Wesen zu seinem Rechte kommen und die Welt erlösen, daher er gerne seine körperliche Person wolle ver¬ schmachten lassen.
III. 6
Tyranneien und Mißhandlungen war. Er, der vor Aller Augen auf dem maͤchtigſten Throne Europas haͤtte ſitzen ſollen von mehr als Eines Rechtes wegen, wurde durch einen geheimnißvollen Zwang gleich einem gebannten Daͤmon in Ver¬ borgenheit und Armuth gehalten, daß er kein Glied ohne den Willen ſeiner Tyrannen ruͤhren konnte, waͤhrend ſie ihm taͤglich gerade ſo viel von ſeinem Genius abzapften, als ſie zu ihrer kleinlichen Weltbeſorgung gebrauchten. Freilich, waͤre er zu ſeinem Recht und zu ſeiner Freiheit gekommen, ſo wuͤrde im ſelben Augenblicke die Maͤuſewirthſchaft aufgehoͤrt haben und ein freies, lichtes und gluͤckliches Zeitalter angebrochen ſein. Allein die winzigen Doſen ſeines Geiſtes, welche nun ſo tropfenweiſe verwandt wuͤrden, ſammelten ſich doch allmaͤlig zu einem allmaͤchtigen Meere, indem es ihre Art ſei, daß keine davon wieder vergehen oder aufgehoben werden koͤnne, und in jenem allbezwingenden Meere werde ſein Weſen zu ſeinem Rechte kommen und die Welt erloͤſen, daher er gerne ſeine koͤrperliche Perſon wolle ver¬ ſchmachten laſſen.
III. 6
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Tyranneien und Mißhandlungen war. Er, der
vor Aller Augen auf dem maͤchtigſten Throne
Europas haͤtte ſitzen ſollen von mehr als Eines
Rechtes wegen, wurde durch einen geheimnißvollen
Zwang gleich einem gebannten Daͤmon in Ver¬
borgenheit und Armuth gehalten, daß er kein
Glied ohne den Willen ſeiner Tyrannen ruͤhren
konnte, waͤhrend ſie ihm taͤglich gerade ſo viel
von ſeinem Genius abzapften, als ſie zu ihrer
kleinlichen Weltbeſorgung gebrauchten. Freilich,
waͤre er zu ſeinem Recht und zu ſeiner Freiheit
gekommen, ſo wuͤrde im ſelben Augenblicke die
Maͤuſewirthſchaft aufgehoͤrt haben und ein freies,
lichtes und gluͤckliches Zeitalter angebrochen ſein.
Allein die winzigen Doſen ſeines Geiſtes, welche
nun ſo tropfenweiſe verwandt wuͤrden, ſammelten
ſich doch allmaͤlig zu einem allmaͤchtigen Meere,
indem es ihre Art ſei, daß keine davon wieder
vergehen oder aufgehoben werden koͤnne, und in
jenem allbezwingenden Meere werde ſein Weſen
zu ſeinem Rechte kommen und die Welt erloͤſen,
daher er gerne ſeine koͤrperliche Perſon wolle ver¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/91>, abgerufen am 23.11.2024.
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