vor ihren Augen herumflirrten, übten aber eine unwiderstehliche Lockung, und Beide gingen fast gleichzeitig in ein rascheres Tempo über. Hein¬ rich, welcher der Hitzigere und Bethörtere war, in welchem auch eine Menge Weines glühte, wurde noch ungestümer und entschiedener, und unver¬ sehens trat Lys mit einem leisen Schrei einen Schritt zurück und sank dann auf einen Stuhl.
Er war in die rechte Seite getroffen, das Blut tropfte erst langsam durch das weiße Kleid, bis der Arzt die Wunde untersuchte und offen hielt, worauf es in vollen Strömen sich ergoß. Nach einigen Minuten, während welcher Ferdinand sich munter und aufrecht hielt, beruhigte der Arzt die Anwesenden möglichst und erklärte die Ver¬ letzung zwar für gefährlich und bedenklich, aber nicht für unbedingt tödtlich. Die Lunge sei ver¬ letzt und alle Hoffnungen oder Befürchtungen eines solchen Falles müßten mit ruhiger Vorsicht abgewartet werden.
Heinrich hörte dies aber nicht, obgleich er dicht bei dem Verwundeten stand und denselben umfaßt hielt. Er war nun todtenbleich und sah
vor ihren Augen herumflirrten, uͤbten aber eine unwiderſtehliche Lockung, und Beide gingen faſt gleichzeitig in ein raſcheres Tempo uͤber. Hein¬ rich, welcher der Hitzigere und Bethoͤrtere war, in welchem auch eine Menge Weines gluͤhte, wurde noch ungeſtuͤmer und entſchiedener, und unver¬ ſehens trat Lys mit einem leiſen Schrei einen Schritt zuruͤck und ſank dann auf einen Stuhl.
Er war in die rechte Seite getroffen, das Blut tropfte erſt langſam durch das weiße Kleid, bis der Arzt die Wunde unterſuchte und offen hielt, worauf es in vollen Stroͤmen ſich ergoß. Nach einigen Minuten, waͤhrend welcher Ferdinand ſich munter und aufrecht hielt, beruhigte der Arzt die Anweſenden moͤglichſt und erklaͤrte die Ver¬ letzung zwar fuͤr gefaͤhrlich und bedenklich, aber nicht fuͤr unbedingt toͤdtlich. Die Lunge ſei ver¬ letzt und alle Hoffnungen oder Befuͤrchtungen eines ſolchen Falles muͤßten mit ruhiger Vorſicht abgewartet werden.
Heinrich hoͤrte dies aber nicht, obgleich er dicht bei dem Verwundeten ſtand und denſelben umfaßt hielt. Er war nun todtenbleich und ſah
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vor ihren Augen herumflirrten, uͤbten aber eine
unwiderſtehliche Lockung, und Beide gingen faſt
gleichzeitig in ein raſcheres Tempo uͤber. Hein¬
rich, welcher der Hitzigere und Bethoͤrtere war, in
welchem auch eine Menge Weines gluͤhte, wurde
noch ungeſtuͤmer und entſchiedener, und unver¬
ſehens trat Lys mit einem leiſen Schrei einen
Schritt zuruͤck und ſank dann auf einen Stuhl.
Er war in die rechte Seite getroffen, das
Blut tropfte erſt langſam durch das weiße Kleid,
bis der Arzt die Wunde unterſuchte und offen
hielt, worauf es in vollen Stroͤmen ſich ergoß.
Nach einigen Minuten, waͤhrend welcher Ferdinand
ſich munter und aufrecht hielt, beruhigte der Arzt
die Anweſenden moͤglichſt und erklaͤrte die Ver¬
letzung zwar fuͤr gefaͤhrlich und bedenklich, aber
nicht fuͤr unbedingt toͤdtlich. Die Lunge ſei ver¬
letzt und alle Hoffnungen oder Befuͤrchtungen
eines ſolchen Falles muͤßten mit ruhiger Vorſicht
abgewartet werden.
Heinrich hoͤrte dies aber nicht, obgleich er
dicht bei dem Verwundeten ſtand und denſelben
umfaßt hielt. Er war nun todtenbleich und ſah
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/368>, abgerufen am 24.11.2024.
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