konnte, daß ich sie mit dem hintergehe, wovon sie keine Ahnung hatte.
Kaum war die Hochzeit vorüber, so erkrankte die Muhme, welche noch nicht funfzig Jahre alt war, und starb in Zeit von drei Wochen. Sie war eine starke und gesunde Frau, daher ihre Todeskrankheit um so gewaltsamer, und sie starb sehr ungern. Sie litt heftig und unruhig und ergab sich erst in den letzten zwei Tagen, und an dem Schrecken, der sich im Hause verbreitete, konnte man erst sehen, was sie Allen gewesen. Aber wie nach dem Hinsinken eines guten Sol¬ daten auf dem Felde der Ehre die Lücke schnell wieder ausgefüllt wird und der Kampf rüstig fortgeht, so erwies sich die Art des Lebens und des Todes dieser tapfern Frau auch auf das Schönste dadurch, daß die Reihen ohne Lamen¬ tiren rasch sich schlossen, die Kinder theilten sich in Arbeit und Sorge und versparten den beschau¬ lichen Schmerz bis auf die Tage, wo geruht und wo ihnen der Verlust ihrer Mutter erst ein schwe¬ res Wahrzeichen des Lebens werden wird. Nur der Oheim äußerte erst einige tiefere Klagen,
konnte, daß ich ſie mit dem hintergehe, wovon ſie keine Ahnung hatte.
Kaum war die Hochzeit voruͤber, ſo erkrankte die Muhme, welche noch nicht funfzig Jahre alt war, und ſtarb in Zeit von drei Wochen. Sie war eine ſtarke und geſunde Frau, daher ihre Todeskrankheit um ſo gewaltſamer, und ſie ſtarb ſehr ungern. Sie litt heftig und unruhig und ergab ſich erſt in den letzten zwei Tagen, und an dem Schrecken, der ſich im Hauſe verbreitete, konnte man erſt ſehen, was ſie Allen geweſen. Aber wie nach dem Hinſinken eines guten Sol¬ daten auf dem Felde der Ehre die Luͤcke ſchnell wieder ausgefuͤllt wird und der Kampf ruͤſtig fortgeht, ſo erwies ſich die Art des Lebens und des Todes dieſer tapfern Frau auch auf das Schoͤnſte dadurch, daß die Reihen ohne Lamen¬ tiren raſch ſich ſchloſſen, die Kinder theilten ſich in Arbeit und Sorge und verſparten den beſchau¬ lichen Schmerz bis auf die Tage, wo geruht und wo ihnen der Verluſt ihrer Mutter erſt ein ſchwe¬ res Wahrzeichen des Lebens werden wird. Nur der Oheim aͤußerte erſt einige tiefere Klagen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0144"n="134"/>
konnte, daß ich ſie mit dem hintergehe, wovon<lb/>ſie keine Ahnung hatte.</p><lb/><p>Kaum war die Hochzeit voruͤber, ſo erkrankte<lb/>
die Muhme, welche noch nicht funfzig Jahre alt<lb/>
war, und ſtarb in Zeit von drei Wochen. Sie<lb/>
war eine ſtarke und geſunde Frau, daher ihre<lb/>
Todeskrankheit um ſo gewaltſamer, und ſie ſtarb<lb/>ſehr ungern. Sie litt heftig und unruhig und<lb/>
ergab ſich erſt in den letzten zwei Tagen, und<lb/>
an dem Schrecken, der ſich im Hauſe verbreitete,<lb/>
konnte man erſt ſehen, was ſie Allen geweſen.<lb/>
Aber wie nach dem Hinſinken eines guten Sol¬<lb/>
daten auf dem Felde der Ehre die Luͤcke ſchnell<lb/>
wieder ausgefuͤllt wird und der Kampf ruͤſtig<lb/>
fortgeht, ſo erwies ſich die Art des Lebens und<lb/>
des Todes dieſer tapfern Frau auch auf das<lb/>
Schoͤnſte dadurch, daß die Reihen ohne Lamen¬<lb/>
tiren raſch ſich ſchloſſen, die Kinder theilten ſich<lb/>
in Arbeit und Sorge und verſparten den beſchau¬<lb/>
lichen Schmerz bis auf die Tage, wo geruht und<lb/>
wo ihnen der Verluſt ihrer Mutter erſt ein ſchwe¬<lb/>
res Wahrzeichen des Lebens werden wird. Nur<lb/>
der Oheim aͤußerte erſt einige tiefere Klagen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[134/0144]
konnte, daß ich ſie mit dem hintergehe, wovon
ſie keine Ahnung hatte.
Kaum war die Hochzeit voruͤber, ſo erkrankte
die Muhme, welche noch nicht funfzig Jahre alt
war, und ſtarb in Zeit von drei Wochen. Sie
war eine ſtarke und geſunde Frau, daher ihre
Todeskrankheit um ſo gewaltſamer, und ſie ſtarb
ſehr ungern. Sie litt heftig und unruhig und
ergab ſich erſt in den letzten zwei Tagen, und
an dem Schrecken, der ſich im Hauſe verbreitete,
konnte man erſt ſehen, was ſie Allen geweſen.
Aber wie nach dem Hinſinken eines guten Sol¬
daten auf dem Felde der Ehre die Luͤcke ſchnell
wieder ausgefuͤllt wird und der Kampf ruͤſtig
fortgeht, ſo erwies ſich die Art des Lebens und
des Todes dieſer tapfern Frau auch auf das
Schoͤnſte dadurch, daß die Reihen ohne Lamen¬
tiren raſch ſich ſchloſſen, die Kinder theilten ſich
in Arbeit und Sorge und verſparten den beſchau¬
lichen Schmerz bis auf die Tage, wo geruht und
wo ihnen der Verluſt ihrer Mutter erſt ein ſchwe¬
res Wahrzeichen des Lebens werden wird. Nur
der Oheim aͤußerte erſt einige tiefere Klagen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/144>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.