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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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nerung vor den Kopf schlagen und kein Hehl
daraus machen, zum Zeichen, daß sie nun klüger
geworden; begangenes Unrecht aber machen sie
sich weiß, allmälig vergessen zu können, während
es in der That nicht so ist, schon deswegen, weil
das Unrecht mit der Dummheit nahe verwandt
und ähnlicher Natur ist. Ja, dachte ich, so un¬
verzeihlich mir meine Dummheiten sind, wird es
auch mein Unrecht sein! Was ich an Römer ge¬
than, werde ich von nun an nie mehr vergessen
und, wenn ich unsterblich bin, in die Unsterblich¬
keit hinübernehmen, denn es gehört zu meiner
Person, zu meiner Geschichte, zu meinem Wesen,
sonst wäre es nicht passirt! Meine einzige Sorge
wird sein, zu trachten, daß ich noch so viel Rech¬
tes thue, daß mein Dasein erträglich bleibt!

Ich sprang auf und verkündete der Judith
diese Ausführung und Anwendung ihrer einfachen
Worte; denn es dünkte mir ein wichtiges Ereig¬
niß, so für immer auf das Vergessen einer Uebel¬
that zu verzichten. Judith zog mich nieder und
sagte mir in's Ohr: "Ja, so wird es sein; Du
bist jetzt erwachsen und hast in diesem Handel

nerung vor den Kopf ſchlagen und kein Hehl
daraus machen, zum Zeichen, daß ſie nun kluͤger
geworden; begangenes Unrecht aber machen ſie
ſich weiß, allmaͤlig vergeſſen zu koͤnnen, waͤhrend
es in der That nicht ſo iſt, ſchon deswegen, weil
das Unrecht mit der Dummheit nahe verwandt
und aͤhnlicher Natur iſt. Ja, dachte ich, ſo un¬
verzeihlich mir meine Dummheiten ſind, wird es
auch mein Unrecht ſein! Was ich an Roͤmer ge¬
than, werde ich von nun an nie mehr vergeſſen
und, wenn ich unſterblich bin, in die Unſterblich¬
keit hinuͤbernehmen, denn es gehoͤrt zu meiner
Perſon, zu meiner Geſchichte, zu meinem Weſen,
ſonſt waͤre es nicht paſſirt! Meine einzige Sorge
wird ſein, zu trachten, daß ich noch ſo viel Rech¬
tes thue, daß mein Daſein ertraͤglich bleibt!

Ich ſprang auf und verkuͤndete der Judith
dieſe Ausfuͤhrung und Anwendung ihrer einfachen
Worte; denn es duͤnkte mir ein wichtiges Ereig¬
niß, ſo fuͤr immer auf das Vergeſſen einer Uebel¬
that zu verzichten. Judith zog mich nieder und
ſagte mir in's Ohr: »Ja, ſo wird es ſein; Du
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[119/0129] nerung vor den Kopf ſchlagen und kein Hehl daraus machen, zum Zeichen, daß ſie nun kluͤger geworden; begangenes Unrecht aber machen ſie ſich weiß, allmaͤlig vergeſſen zu koͤnnen, waͤhrend es in der That nicht ſo iſt, ſchon deswegen, weil das Unrecht mit der Dummheit nahe verwandt und aͤhnlicher Natur iſt. Ja, dachte ich, ſo un¬ verzeihlich mir meine Dummheiten ſind, wird es auch mein Unrecht ſein! Was ich an Roͤmer ge¬ than, werde ich von nun an nie mehr vergeſſen und, wenn ich unſterblich bin, in die Unſterblich¬ keit hinuͤbernehmen, denn es gehoͤrt zu meiner Perſon, zu meiner Geſchichte, zu meinem Weſen, ſonſt waͤre es nicht paſſirt! Meine einzige Sorge wird ſein, zu trachten, daß ich noch ſo viel Rech¬ tes thue, daß mein Daſein ertraͤglich bleibt! Ich ſprang auf und verkuͤndete der Judith dieſe Ausfuͤhrung und Anwendung ihrer einfachen Worte; denn es duͤnkte mir ein wichtiges Ereig¬ niß, ſo fuͤr immer auf das Vergeſſen einer Uebel¬ that zu verzichten. Judith zog mich nieder und ſagte mir in's Ohr: »Ja, ſo wird es ſein; Du biſt jetzt erwachſen und haſt in dieſem Handel

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/129>, abgerufen am 25.11.2024.