licher macht, als die entschiedene Teufelei. Ich konnte nicht einschlafen vor dem Bedürfnisse, mich zu äußern, da das immerwährende Verschweigen, wie die mißlungene Aufrichtigkeit den Anstrich des Unheimlichen noch vermehrt. Ich stand nach Mitternacht auf, kleidete mich an und schlich mich aus dem Hause, um Judith aufzusuchen. Unge¬ sehen kam ich durch Gärten und Hecken, fand aber Alles dunkel und verschlossen bei ihr. Ich stand einige Zeit unschlüssig vor dem Hause; doch kletterte ich zuletzt am Spalier empor und klopfte zaghaft an das Fenster; denn ich fürchtete mich, das gereifte und kluge Weib aus dem geheimni߬ vollen Schleier der Nacht aufzuschrecken, ich be¬ sorgte zu meiner Beschämung erfahren zu müssen, daß ein solches Weib zuletzt doch manchmal zu thun für gut finden könne, was nicht jeder Junge zu wissen brauche. Aber sie war ganz allein, hörte und erkannte mich sogleich, stand auf, zog sich leicht an und ließ mich zum Fenster hinein. Dann machte sie Licht, Helle zu verbreiten, weil sie glaubte, ich sei in der Absicht gekommen, ir¬ gend einige Liebkosungen zu wagen. Aber sie
III. 8
licher macht, als die entſchiedene Teufelei. Ich konnte nicht einſchlafen vor dem Beduͤrfniſſe, mich zu aͤußern, da das immerwaͤhrende Verſchweigen, wie die mißlungene Aufrichtigkeit den Anſtrich des Unheimlichen noch vermehrt. Ich ſtand nach Mitternacht auf, kleidete mich an und ſchlich mich aus dem Hauſe, um Judith aufzuſuchen. Unge¬ ſehen kam ich durch Gaͤrten und Hecken, fand aber Alles dunkel und verſchloſſen bei ihr. Ich ſtand einige Zeit unſchluͤſſig vor dem Hauſe; doch kletterte ich zuletzt am Spalier empor und klopfte zaghaft an das Fenſter; denn ich fuͤrchtete mich, das gereifte und kluge Weib aus dem geheimni߬ vollen Schleier der Nacht aufzuſchrecken, ich be¬ ſorgte zu meiner Beſchaͤmung erfahren zu muͤſſen, daß ein ſolches Weib zuletzt doch manchmal zu thun fuͤr gut finden koͤnne, was nicht jeder Junge zu wiſſen brauche. Aber ſie war ganz allein, hoͤrte und erkannte mich ſogleich, ſtand auf, zog ſich leicht an und ließ mich zum Fenſter hinein. Dann machte ſie Licht, Helle zu verbreiten, weil ſie glaubte, ich ſei in der Abſicht gekommen, ir¬ gend einige Liebkoſungen zu wagen. Aber ſie
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licher macht, als die entſchiedene Teufelei. Ich
konnte nicht einſchlafen vor dem Beduͤrfniſſe, mich
zu aͤußern, da das immerwaͤhrende Verſchweigen,
wie die mißlungene Aufrichtigkeit den Anſtrich
des Unheimlichen noch vermehrt. Ich ſtand nach
Mitternacht auf, kleidete mich an und ſchlich mich
aus dem Hauſe, um Judith aufzuſuchen. Unge¬
ſehen kam ich durch Gaͤrten und Hecken, fand
aber Alles dunkel und verſchloſſen bei ihr. Ich
ſtand einige Zeit unſchluͤſſig vor dem Hauſe; doch
kletterte ich zuletzt am Spalier empor und klopfte
zaghaft an das Fenſter; denn ich fuͤrchtete mich,
das gereifte und kluge Weib aus dem geheimni߬
vollen Schleier der Nacht aufzuſchrecken, ich be¬
ſorgte zu meiner Beſchaͤmung erfahren zu muͤſſen,
daß ein ſolches Weib zuletzt doch manchmal zu
thun fuͤr gut finden koͤnne, was nicht jeder Junge
zu wiſſen brauche. Aber ſie war ganz allein,
hoͤrte und erkannte mich ſogleich, ſtand auf, zog
ſich leicht an und ließ mich zum Fenſter hinein.
Dann machte ſie Licht, Helle zu verbreiten, weil
ſie glaubte, ich ſei in der Abſicht gekommen, ir¬
gend einige Liebkoſungen zu wagen. Aber ſie
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/123>, abgerufen am 24.11.2024.
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