um ein Glas oder sonst einen Gegenstand von mir zu verlangen. Auch ließ sie sich oft ihre Schächtelchen und kleinen Schätze auf das Bett bringen, kramte dieselben aus, bis sie müde war, wo sie mich dann Alles wieder einpacken ließ. Dies erfüllte uns mit einem stillen Glücke und wenn ich dann beinahe stolz auf dies so zarte und reine Verhältniß fortging, so konnte ich nicht begreifen, wie und warum ich Anna in Er¬ wartung schmerzenvoller Qualen zurückließ.
Der Frühling blühte nun in aller Pracht; aber das arme Kind konnte kaum und selten an's Fenster gebracht werden. Wir füllten daher die Wohnstube, in welcher ihr weißes Bett stand, mit Blumenstöcken und bauten vor dem Fenster ein breites Gerüste, um auf demselben durch grö¬ ßere Töpfe möglichst einen Garten einzurichten. Wenn Anna an sonnigen Nachmittagen eine gute Stunde hatte und wir der warmen Mai¬ sonne das Fenster öffneten, der silberne See durch die Rosen und Oleanderblüthen herein glänzte und Anna in ihrem weißen Kranken¬ kleide dalag, so schien hier ein sanfter
um ein Glas oder ſonſt einen Gegenſtand von mir zu verlangen. Auch ließ ſie ſich oft ihre Schaͤchtelchen und kleinen Schaͤtze auf das Bett bringen, kramte dieſelben aus, bis ſie muͤde war, wo ſie mich dann Alles wieder einpacken ließ. Dies erfuͤllte uns mit einem ſtillen Gluͤcke und wenn ich dann beinahe ſtolz auf dies ſo zarte und reine Verhaͤltniß fortging, ſo konnte ich nicht begreifen, wie und warum ich Anna in Er¬ wartung ſchmerzenvoller Qualen zuruͤckließ.
Der Fruͤhling bluͤhte nun in aller Pracht; aber das arme Kind konnte kaum und ſelten an's Fenſter gebracht werden. Wir fuͤllten daher die Wohnſtube, in welcher ihr weißes Bett ſtand, mit Blumenſtoͤcken und bauten vor dem Fenſter ein breites Geruͤſte, um auf demſelben durch groͤ¬ ßere Toͤpfe moͤglichſt einen Garten einzurichten. Wenn Anna an ſonnigen Nachmittagen eine gute Stunde hatte und wir der warmen Mai¬ ſonne das Fenſter oͤffneten, der ſilberne See durch die Roſen und Oleanderbluͤthen herein glaͤnzte und Anna in ihrem weißen Kranken¬ kleide dalag, ſo ſchien hier ein ſanfter
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um ein Glas oder ſonſt einen Gegenſtand von
mir zu verlangen. Auch ließ ſie ſich oft ihre
Schaͤchtelchen und kleinen Schaͤtze auf das Bett
bringen, kramte dieſelben aus, bis ſie muͤde war,
wo ſie mich dann Alles wieder einpacken ließ.
Dies erfuͤllte uns mit einem ſtillen Gluͤcke und
wenn ich dann beinahe ſtolz auf dies ſo zarte
und reine Verhaͤltniß fortging, ſo konnte ich nicht
begreifen, wie und warum ich Anna in Er¬
wartung ſchmerzenvoller Qualen zuruͤckließ.
Der Fruͤhling bluͤhte nun in aller Pracht;
aber das arme Kind konnte kaum und ſelten
an's Fenſter gebracht werden. Wir fuͤllten daher
die Wohnſtube, in welcher ihr weißes Bett ſtand,
mit Blumenſtoͤcken und bauten vor dem Fenſter
ein breites Geruͤſte, um auf demſelben durch groͤ¬
ßere Toͤpfe moͤglichſt einen Garten einzurichten.
Wenn Anna an ſonnigen Nachmittagen eine
gute Stunde hatte und wir der warmen Mai¬
ſonne das Fenſter oͤffneten, der ſilberne See
durch die Roſen und Oleanderbluͤthen herein
glaͤnzte und Anna in ihrem weißen Kranken¬
kleide dalag, ſo ſchien hier ein ſanfter
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/119>, abgerufen am 07.05.2024.
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