was man von seiner vermeintlichen Schlechtigkeit hielt.
Ich fand ihn, wie er seine Sachen zusammen¬ packte und einige Rechnungen bezahlte. Er kün¬ digte mir seine Abreise an, die am andern Tage erfolgen sollte, und verabschiedete sich zugleich freundlich von mir, noch einige geheimnißvolle Andeutungen über den Zweck der Reise beifügend. Als ich meiner Mutter die Nachricht mittheilte, fragte sie sogleich, ob er denn nichts von dem ge¬ liehenen Gelde gesagt habe?
Ich hatte bei Römer einen entschiedenen Fort¬ schritt gemacht, mein ganzes Können abgerundet und meinen Blick erweitert, und es war gar nicht zu berechnen und schon nicht mehr zu denken, wie es ohne dies Alles mit mir hätte gehen sollen. Des¬ wegen hätten wir das Geld füglich als eine wohlan¬ gewandte Entschädigung ansehen müssen, und dies um so mehr, als Römer mir die letzte Zeit nach wie vor seinen Rath gegeben hatte. Allein wir glaubten nur einen Beweis von der Richtigkeit jener Gerüchte zu sehen und wußten auch dazumal noch nicht, wie kümmerlich er lebte; wir dachten
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was man von ſeiner vermeintlichen Schlechtigkeit hielt.
Ich fand ihn, wie er ſeine Sachen zuſammen¬ packte und einige Rechnungen bezahlte. Er kuͤn¬ digte mir ſeine Abreiſe an, die am andern Tage erfolgen ſollte, und verabſchiedete ſich zugleich freundlich von mir, noch einige geheimnißvolle Andeutungen uͤber den Zweck der Reiſe beifuͤgend. Als ich meiner Mutter die Nachricht mittheilte, fragte ſie ſogleich, ob er denn nichts von dem ge¬ liehenen Gelde geſagt habe?
Ich hatte bei Roͤmer einen entſchiedenen Fort¬ ſchritt gemacht, mein ganzes Koͤnnen abgerundet und meinen Blick erweitert, und es war gar nicht zu berechnen und ſchon nicht mehr zu denken, wie es ohne dies Alles mit mir haͤtte gehen ſollen. Des¬ wegen haͤtten wir das Geld fuͤglich als eine wohlan¬ gewandte Entſchaͤdigung anſehen muͤſſen, und dies um ſo mehr, als Roͤmer mir die letzte Zeit nach wie vor ſeinen Rath gegeben hatte. Allein wir glaubten nur einen Beweis von der Richtigkeit jener Geruͤchte zu ſehen und wußten auch dazumal noch nicht, wie kuͤmmerlich er lebte; wir dachten
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was man von ſeiner vermeintlichen Schlechtigkeit
hielt.
Ich fand ihn, wie er ſeine Sachen zuſammen¬
packte und einige Rechnungen bezahlte. Er kuͤn¬
digte mir ſeine Abreiſe an, die am andern Tage
erfolgen ſollte, und verabſchiedete ſich zugleich
freundlich von mir, noch einige geheimnißvolle
Andeutungen uͤber den Zweck der Reiſe beifuͤgend.
Als ich meiner Mutter die Nachricht mittheilte,
fragte ſie ſogleich, ob er denn nichts von dem ge¬
liehenen Gelde geſagt habe?
Ich hatte bei Roͤmer einen entſchiedenen Fort¬
ſchritt gemacht, mein ganzes Koͤnnen abgerundet
und meinen Blick erweitert, und es war gar nicht
zu berechnen und ſchon nicht mehr zu denken, wie
es ohne dies Alles mit mir haͤtte gehen ſollen. Des¬
wegen haͤtten wir das Geld fuͤglich als eine wohlan¬
gewandte Entſchaͤdigung anſehen muͤſſen, und dies
um ſo mehr, als Roͤmer mir die letzte Zeit nach
wie vor ſeinen Rath gegeben hatte. Allein wir
glaubten nur einen Beweis von der Richtigkeit
jener Geruͤchte zu ſehen und wußten auch dazumal
noch nicht, wie kuͤmmerlich er lebte; wir dachten
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/109>, abgerufen am 23.11.2024.
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