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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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sehr, daß er berufen wurde, ihr in seiner Technik
Unterricht zu geben, und täglich in den Palast
ihres Gemahles gehen mußte. Dies verdrehte
ihm den Kopf oder lenkte ihn vielmehr auf den
Weg, dessen Anfang von je in ihm war; er
machte irgend eine Dummheit, auch mochte der
Vorfall mit der Bescheidenheit, den er auf seine
Weise mir erzählt, dazukommen: sein Glück ver¬
ließ ihn plötzlich, er wurde vermieden und ging
nach Paris zurück. Dort gelang es ihm durch
den Kunsthändler, auf günstige Weise bekannt zu
werden; er mußte eines Tages in die Tuilerien
gehen, seine Mappen vorlegen und sah sich in
einen allerliebsten kleinen Salon versetzt, in welchem
die blühenden Kinder des Königs, Mädchen und
Söhne, scherzend und lachend um seine Arbeiten
sich drängten und Blätter für ihre Albums aus¬
wählten. Diese Auszeichnung wurde in den
Pariser Journalen gemeldet und er las seinen
Namen im Journal des Debats, aber zum ersten
und letzten Male, obgleich er seither keinen Tag
ruhig schlafen konnte, wenn er dies Blatt nicht
gelesen.

ſehr, daß er berufen wurde, ihr in ſeiner Technik
Unterricht zu geben, und taͤglich in den Palaſt
ihres Gemahles gehen mußte. Dies verdrehte
ihm den Kopf oder lenkte ihn vielmehr auf den
Weg, deſſen Anfang von je in ihm war; er
machte irgend eine Dummheit, auch mochte der
Vorfall mit der Beſcheidenheit, den er auf ſeine
Weiſe mir erzaͤhlt, dazukommen: ſein Gluͤck ver¬
ließ ihn ploͤtzlich, er wurde vermieden und ging
nach Paris zuruͤck. Dort gelang es ihm durch
den Kunſthaͤndler, auf guͤnſtige Weiſe bekannt zu
werden; er mußte eines Tages in die Tuilerien
gehen, ſeine Mappen vorlegen und ſah ſich in
einen allerliebſten kleinen Salon verſetzt, in welchem
die bluͤhenden Kinder des Koͤnigs, Maͤdchen und
Soͤhne, ſcherzend und lachend um ſeine Arbeiten
ſich draͤngten und Blaͤtter fuͤr ihre Albums aus¬
waͤhlten. Dieſe Auszeichnung wurde in den
Pariſer Journalen gemeldet und er las ſeinen
Namen im Journal des Débats, aber zum erſten
und letzten Male, obgleich er ſeither keinen Tag
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[93/0103] ſehr, daß er berufen wurde, ihr in ſeiner Technik Unterricht zu geben, und taͤglich in den Palaſt ihres Gemahles gehen mußte. Dies verdrehte ihm den Kopf oder lenkte ihn vielmehr auf den Weg, deſſen Anfang von je in ihm war; er machte irgend eine Dummheit, auch mochte der Vorfall mit der Beſcheidenheit, den er auf ſeine Weiſe mir erzaͤhlt, dazukommen: ſein Gluͤck ver¬ ließ ihn ploͤtzlich, er wurde vermieden und ging nach Paris zuruͤck. Dort gelang es ihm durch den Kunſthaͤndler, auf guͤnſtige Weiſe bekannt zu werden; er mußte eines Tages in die Tuilerien gehen, ſeine Mappen vorlegen und ſah ſich in einen allerliebſten kleinen Salon verſetzt, in welchem die bluͤhenden Kinder des Koͤnigs, Maͤdchen und Soͤhne, ſcherzend und lachend um ſeine Arbeiten ſich draͤngten und Blaͤtter fuͤr ihre Albums aus¬ waͤhlten. Dieſe Auszeichnung wurde in den Pariſer Journalen gemeldet und er las ſeinen Namen im Journal des Débats, aber zum erſten und letzten Male, obgleich er ſeither keinen Tag ruhig ſchlafen konnte, wenn er dies Blatt nicht geleſen.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/103>, abgerufen am 07.05.2024.