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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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schwere Handarbeit in's Leben führen, als zwei
mal zwei vier sind! Zudem ist der Junge schon
ein Bischen schwächlich und verwöhnt durch Euere
Weiberwirthschaft; laßt ihn ein Maurer oder
Steinmetz werden, oder besser, gebt ihn mir, so
wird er die gehörige Demuth und damit den
rechten Stolz eines Mannes aus dem Volke ge¬
winnen, und bis er im Stande ist, einen guten
Schuh fix und fertig zu arbeiten, soll er gelernt
haben, was ein Bürger ist, wenn er anders sei¬
nem Vater nachfolgt, den wir sehr vermissen,
wir andere Handwerksleute! Besinnt Euch, Frau
Lee! von der Pike auf dienen, das macht den
Mann! Waren die neuen Schuhe doch nicht zu
eng, die ich letzthin schickte?"

Die Frau Lee ging aber nicht sonderlich er¬
baut fort und murmelte vor sich her: "Schlag
du nur deine Zwecke ein, bei mir erreichst du
deinen Zweck nicht, Herr Schuster, ungehobelter
Mann! Bleib nur bei deinem Leisten und warte,
bis mein Kind kommt, dir Gesellschaft zu leisten!
Draht ist nicht Rath! Wenn du Gott fürchten
würdest, so brauchtest du nicht vor dem Gerber

ſchwere Handarbeit in's Leben fuͤhren, als zwei
mal zwei vier ſind! Zudem iſt der Junge ſchon
ein Biſchen ſchwaͤchlich und verwoͤhnt durch Euere
Weiberwirthſchaft; laßt ihn ein Maurer oder
Steinmetz werden, oder beſſer, gebt ihn mir, ſo
wird er die gehoͤrige Demuth und damit den
rechten Stolz eines Mannes aus dem Volke ge¬
winnen, und bis er im Stande iſt, einen guten
Schuh fix und fertig zu arbeiten, ſoll er gelernt
haben, was ein Buͤrger iſt, wenn er anders ſei¬
nem Vater nachfolgt, den wir ſehr vermiſſen,
wir andere Handwerksleute! Beſinnt Euch, Frau
Lee! von der Pike auf dienen, das macht den
Mann! Waren die neuen Schuhe doch nicht zu
eng, die ich letzthin ſchickte?«

Die Frau Lee ging aber nicht ſonderlich er¬
baut fort und murmelte vor ſich her: »Schlag
du nur deine Zwecke ein, bei mir erreichſt du
deinen Zweck nicht, Herr Schuſter, ungehobelter
Mann! Bleib nur bei deinem Leiſten und warte,
bis mein Kind kommt, dir Geſellſchaft zu leiſten!
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[88/0098] ſchwere Handarbeit in's Leben fuͤhren, als zwei mal zwei vier ſind! Zudem iſt der Junge ſchon ein Biſchen ſchwaͤchlich und verwoͤhnt durch Euere Weiberwirthſchaft; laßt ihn ein Maurer oder Steinmetz werden, oder beſſer, gebt ihn mir, ſo wird er die gehoͤrige Demuth und damit den rechten Stolz eines Mannes aus dem Volke ge¬ winnen, und bis er im Stande iſt, einen guten Schuh fix und fertig zu arbeiten, ſoll er gelernt haben, was ein Buͤrger iſt, wenn er anders ſei¬ nem Vater nachfolgt, den wir ſehr vermiſſen, wir andere Handwerksleute! Beſinnt Euch, Frau Lee! von der Pike auf dienen, das macht den Mann! Waren die neuen Schuhe doch nicht zu eng, die ich letzthin ſchickte?« Die Frau Lee ging aber nicht ſonderlich er¬ baut fort und murmelte vor ſich her: »Schlag du nur deine Zwecke ein, bei mir erreichſt du deinen Zweck nicht, Herr Schuſter, ungehobelter Mann! Bleib nur bei deinem Leiſten und warte, bis mein Kind kommt, dir Geſellſchaft zu leiſten! Draht iſt nicht Rath! Wenn du Gott fuͤrchten wuͤrdeſt, ſo brauchteſt du nicht vor dem Gerber

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/98>, abgerufen am 06.05.2024.