geh'!" sagte sie lächelnd, doch löste sie ihre wei¬ chen nackten Arme auf eine so sonderbare Weise aus einander, daß es mir schneidend weh that, mich frei zu fühlen, und eben wieder im Begriffe war, in dieselben zu sinken, als sie aufsprang, mich noch einmal küßte und dann von sich stieß, indem sie leise sagte: "Nun pack' dich, es ist jetzt Zeit, daß du heim kommst!" Beschämt suchte ich meinen Hut und eilte davon, daß sie laut lachte und mir kaum nachkommen konnte, um mir die Hausthüre aufzumachen. "Halt," flüsterte sie, als ich davon laufen wollte, "geh' da oben durch den Baumgarten hinaus und ein wenig um's Dorf herum!" und sie kam mit mir durch den Garten in ihrem leichten Gewande, obgleich es regnete und stürmte, was vom Himmel herun¬ ter mochte. Am Gatter stand sie still und sagte: "Hör' einmal! ich sehe nie einen Mann in meinem Hause und du bist der Erste, den ich seit langer Zeit geküßt! Ich habe Lust, dir nun erst recht treu zu bleiben, frage mich nicht warum, ich muß etwas probiren für die lange Zeit und es macht mir Spaß. Dafür verlange ich aber, daß du je¬
geh'!« ſagte ſie laͤchelnd, doch loͤſte ſie ihre wei¬ chen nackten Arme auf eine ſo ſonderbare Weiſe aus einander, daß es mir ſchneidend weh that, mich frei zu fuͤhlen, und eben wieder im Begriffe war, in dieſelben zu ſinken, als ſie aufſprang, mich noch einmal kuͤßte und dann von ſich ſtieß, indem ſie leiſe ſagte: »Nun pack' dich, es iſt jetzt Zeit, daß du heim kommſt!« Beſchaͤmt ſuchte ich meinen Hut und eilte davon, daß ſie laut lachte und mir kaum nachkommen konnte, um mir die Hausthuͤre aufzumachen. »Halt,« fluͤſterte ſie, als ich davon laufen wollte, »geh' da oben durch den Baumgarten hinaus und ein wenig um's Dorf herum!« und ſie kam mit mir durch den Garten in ihrem leichten Gewande, obgleich es regnete und ſtuͤrmte, was vom Himmel herun¬ ter mochte. Am Gatter ſtand ſie ſtill und ſagte: »Hoͤr' einmal! ich ſehe nie einen Mann in meinem Hauſe und du biſt der Erſte, den ich ſeit langer Zeit gekuͤßt! Ich habe Luſt, dir nun erſt recht treu zu bleiben, frage mich nicht warum, ich muß etwas probiren fuͤr die lange Zeit und es macht mir Spaß. Dafuͤr verlange ich aber, daß du je¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0463"n="453"/>
geh'!« ſagte ſie laͤchelnd, doch loͤſte ſie ihre wei¬<lb/>
chen nackten Arme auf eine ſo ſonderbare Weiſe<lb/>
aus einander, daß es mir ſchneidend weh that,<lb/>
mich frei zu fuͤhlen, und eben wieder im Begriffe<lb/>
war, in dieſelben zu ſinken, als ſie aufſprang,<lb/>
mich noch einmal kuͤßte und dann von ſich ſtieß,<lb/>
indem ſie leiſe ſagte: »Nun pack' dich, es iſt jetzt<lb/>
Zeit, daß du heim kommſt!« Beſchaͤmt ſuchte<lb/>
ich meinen Hut und eilte davon, daß ſie laut<lb/>
lachte und mir kaum nachkommen konnte, um<lb/>
mir die Hausthuͤre aufzumachen. »Halt,« fluͤſterte<lb/>ſie, als ich davon laufen wollte, »geh' da oben<lb/>
durch den Baumgarten hinaus und ein wenig<lb/>
um's Dorf herum!« und ſie kam mit mir durch<lb/>
den Garten in ihrem leichten Gewande, obgleich<lb/>
es regnete und ſtuͤrmte, was vom Himmel herun¬<lb/>
ter mochte. Am Gatter ſtand ſie ſtill und ſagte:<lb/>
»Hoͤr' einmal! ich ſehe nie einen Mann in meinem<lb/>
Hauſe und du biſt der Erſte, den ich ſeit langer<lb/>
Zeit gekuͤßt! Ich habe Luſt, dir nun erſt recht<lb/>
treu zu bleiben, frage mich nicht warum, ich muß<lb/>
etwas probiren fuͤr die lange Zeit und es macht<lb/>
mir Spaß. Dafuͤr verlange ich aber, daß du je¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[453/0463]
geh'!« ſagte ſie laͤchelnd, doch loͤſte ſie ihre wei¬
chen nackten Arme auf eine ſo ſonderbare Weiſe
aus einander, daß es mir ſchneidend weh that,
mich frei zu fuͤhlen, und eben wieder im Begriffe
war, in dieſelben zu ſinken, als ſie aufſprang,
mich noch einmal kuͤßte und dann von ſich ſtieß,
indem ſie leiſe ſagte: »Nun pack' dich, es iſt jetzt
Zeit, daß du heim kommſt!« Beſchaͤmt ſuchte
ich meinen Hut und eilte davon, daß ſie laut
lachte und mir kaum nachkommen konnte, um
mir die Hausthuͤre aufzumachen. »Halt,« fluͤſterte
ſie, als ich davon laufen wollte, »geh' da oben
durch den Baumgarten hinaus und ein wenig
um's Dorf herum!« und ſie kam mit mir durch
den Garten in ihrem leichten Gewande, obgleich
es regnete und ſtuͤrmte, was vom Himmel herun¬
ter mochte. Am Gatter ſtand ſie ſtill und ſagte:
»Hoͤr' einmal! ich ſehe nie einen Mann in meinem
Hauſe und du biſt der Erſte, den ich ſeit langer
Zeit gekuͤßt! Ich habe Luſt, dir nun erſt recht
treu zu bleiben, frage mich nicht warum, ich muß
etwas probiren fuͤr die lange Zeit und es macht
mir Spaß. Dafuͤr verlange ich aber, daß du je¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/463>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.