sich die unheimliche Aufregung, sobald Judith Licht angezündet und ein helles Feuer entflammt hatte. Ich saß auf dem Herde und plauderte ganz vergnüglich mit ihr, und indem ich fort¬ während in ihr vom Feuer beglänztes Gesicht sah, glaubte ich stolz mit der Gefahr spielen zu können und träumte mich in die Lage der Dinge zurück, wie ich vor zwei Jahren noch ihr Haar auf- und zugeflochten hatte. Während der Kaffee singend kochte, ging sie in die Stube, um ihr Halstuch abzulegen und ihr Sonntagskleid aus¬ zuziehen, und kam im weißen Untergewande zu¬ rück, mit bloßen Armen, und aus der schneewei¬ ßen Leinwand enthüllten sich mit blendender Schönheit ihre Schultern. Sogleich ward ich wieder verwirrt und erst allmälig, indem ich un¬ verwandt sie anschaute, entwirrte sich mein flim¬ mernder Blick an der ruhigen Klarheit dieser Formen. Ich hatte sie schon als Knabe ein oder zwei Mal so gesehen, wenn sie beim Ankleiden nicht sehr auf mich achtete, und obgleich ich jetzt anders sah, als damals, schien doch die gleiche Vorwurfslosigkeit auf diesem Schnee zu ruhen,
ſich die unheimliche Aufregung, ſobald Judith Licht angezuͤndet und ein helles Feuer entflammt hatte. Ich ſaß auf dem Herde und plauderte ganz vergnuͤglich mit ihr, und indem ich fort¬ waͤhrend in ihr vom Feuer beglaͤnztes Geſicht ſah, glaubte ich ſtolz mit der Gefahr ſpielen zu koͤnnen und traͤumte mich in die Lage der Dinge zuruͤck, wie ich vor zwei Jahren noch ihr Haar auf- und zugeflochten hatte. Waͤhrend der Kaffee ſingend kochte, ging ſie in die Stube, um ihr Halstuch abzulegen und ihr Sonntagskleid aus¬ zuziehen, und kam im weißen Untergewande zu¬ ruͤck, mit bloßen Armen, und aus der ſchneewei¬ ßen Leinwand enthuͤllten ſich mit blendender Schoͤnheit ihre Schultern. Sogleich ward ich wieder verwirrt und erſt allmaͤlig, indem ich un¬ verwandt ſie anſchaute, entwirrte ſich mein flim¬ mernder Blick an der ruhigen Klarheit dieſer Formen. Ich hatte ſie ſchon als Knabe ein oder zwei Mal ſo geſehen, wenn ſie beim Ankleiden nicht ſehr auf mich achtete, und obgleich ich jetzt anders ſah, als damals, ſchien doch die gleiche Vorwurfsloſigkeit auf dieſem Schnee zu ruhen,
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ſich die unheimliche Aufregung, ſobald Judith
Licht angezuͤndet und ein helles Feuer entflammt
hatte. Ich ſaß auf dem Herde und plauderte
ganz vergnuͤglich mit ihr, und indem ich fort¬
waͤhrend in ihr vom Feuer beglaͤnztes Geſicht
ſah, glaubte ich ſtolz mit der Gefahr ſpielen zu
koͤnnen und traͤumte mich in die Lage der Dinge
zuruͤck, wie ich vor zwei Jahren noch ihr Haar
auf- und zugeflochten hatte. Waͤhrend der Kaffee
ſingend kochte, ging ſie in die Stube, um ihr
Halstuch abzulegen und ihr Sonntagskleid aus¬
zuziehen, und kam im weißen Untergewande zu¬
ruͤck, mit bloßen Armen, und aus der ſchneewei¬
ßen Leinwand enthuͤllten ſich mit blendender
Schoͤnheit ihre Schultern. Sogleich ward ich
wieder verwirrt und erſt allmaͤlig, indem ich un¬
verwandt ſie anſchaute, entwirrte ſich mein flim¬
mernder Blick an der ruhigen Klarheit dieſer
Formen. Ich hatte ſie ſchon als Knabe ein oder
zwei Mal ſo geſehen, wenn ſie beim Ankleiden
nicht ſehr auf mich achtete, und obgleich ich jetzt
anders ſah, als damals, ſchien doch die gleiche
Vorwurfsloſigkeit auf dieſem Schnee zu ruhen,
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/452>, abgerufen am 24.11.2024.
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