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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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ihre Witze vor mir nicht zurückhielten. Mit Ver¬
gnügen dachte ich an den Schulmeister und wie
ich fürder ernsthaft und anständig mit ihm dispu¬
tiren wolle, während ich doch noch von was An¬
derem wüßte; denn es schien mir nun darauf
anzukommen, nirgends ausgeschlossen zu sein
und Alles zu übersehen, in welchem Vorsatze ich
mir unendlich klug vorkam und nicht bemerkte,
daß meine Einsicht bereits hintergangen war und
ich als ein rechter Knabe in den Schlingen der
schönen Judith saß; denn ihrer Anwesenheit
war ein guter Theil meiner Behaglichkeit zuzu¬
schreiben.

Die barmherzigen Brüder waren durch die
Politik wieder rüstig und munter geworden und
hatten die Flaschen wieder füllen lassen, obgleich
Mitternacht lange vorüber, als Judith plötzlich
aufbrach und sagte: Frauen und junge Knaben
gehören nun nach Hause! Wollt ihr nicht mit¬
kommen, Vetter, da wir den gleichen Weg haben?
Ich sagte Ja, doch müßte ich erst nach meinen
Verwandten sehen, welche wahrscheinlich auch mit¬
kommen würden. "Die werden wohl schon fort

ihre Witze vor mir nicht zuruͤckhielten. Mit Ver¬
gnuͤgen dachte ich an den Schulmeiſter und wie
ich fuͤrder ernſthaft und anſtaͤndig mit ihm dispu¬
tiren wolle, waͤhrend ich doch noch von was An¬
derem wuͤßte; denn es ſchien mir nun darauf
anzukommen, nirgends ausgeſchloſſen zu ſein
und Alles zu uͤberſehen, in welchem Vorſatze ich
mir unendlich klug vorkam und nicht bemerkte,
daß meine Einſicht bereits hintergangen war und
ich als ein rechter Knabe in den Schlingen der
ſchoͤnen Judith ſaß; denn ihrer Anweſenheit
war ein guter Theil meiner Behaglichkeit zuzu¬
ſchreiben.

Die barmherzigen Bruͤder waren durch die
Politik wieder ruͤſtig und munter geworden und
hatten die Flaſchen wieder fuͤllen laſſen, obgleich
Mitternacht lange voruͤber, als Judith ploͤtzlich
aufbrach und ſagte: Frauen und junge Knaben
gehoͤren nun nach Hauſe! Wollt ihr nicht mit¬
kommen, Vetter, da wir den gleichen Weg haben?
Ich ſagte Ja, doch muͤßte ich erſt nach meinen
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[437/0447] ihre Witze vor mir nicht zuruͤckhielten. Mit Ver¬ gnuͤgen dachte ich an den Schulmeiſter und wie ich fuͤrder ernſthaft und anſtaͤndig mit ihm dispu¬ tiren wolle, waͤhrend ich doch noch von was An¬ derem wuͤßte; denn es ſchien mir nun darauf anzukommen, nirgends ausgeſchloſſen zu ſein und Alles zu uͤberſehen, in welchem Vorſatze ich mir unendlich klug vorkam und nicht bemerkte, daß meine Einſicht bereits hintergangen war und ich als ein rechter Knabe in den Schlingen der ſchoͤnen Judith ſaß; denn ihrer Anweſenheit war ein guter Theil meiner Behaglichkeit zuzu¬ ſchreiben. Die barmherzigen Bruͤder waren durch die Politik wieder ruͤſtig und munter geworden und hatten die Flaſchen wieder fuͤllen laſſen, obgleich Mitternacht lange voruͤber, als Judith ploͤtzlich aufbrach und ſagte: Frauen und junge Knaben gehoͤren nun nach Hauſe! Wollt ihr nicht mit¬ kommen, Vetter, da wir den gleichen Weg haben? Ich ſagte Ja, doch muͤßte ich erſt nach meinen Verwandten ſehen, welche wahrſcheinlich auch mit¬ kommen wuͤrden. »Die werden wohl ſchon fort

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/447>, abgerufen am 23.11.2024.