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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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vativ; es konnte aber keinen Grund hiefür ange¬
ben und Adam sagte: du sollst Esel heißen!"
Erbost rückte dieser nun mit seinem innersten und
eigentlichen Grunde, der seine fixe Idee war,
heraus und warf dem Radicalismus vor, daß er
den Wein versäuert und vertheuert hätte. Wenn
man noch ein süßes und billiges Glas trinken
wolle, so sei dieses einzig in den abgelegenen
altväterischen Wirthschaften zu finden, wo die
alten Zöpfe hinkröchen, sich vor der Welt
zu verbergen. "Sauft," schrie er, "den ra¬
dicalen Rachenputzer eurer berühmten politischen
Wirthe! Ich halt' es mit den Zöpfen!" Da
allerdings etwas Wahres in diesem Vorwurfe
lag, so entbrannten die drei Uebrigen ihrerseits
im Zorne, schalten den Conservativen einen Ver¬
leumder und suchten ihm zu beweisen, daß er
ohne den Radicalismus gar keinen Wein zu rie¬
chen bekäme, weder guten, noch schlechten, daß
er selbst als conservativer Parteibedienter völlig
überflüssig wäre und von seinen Zöpfen den
Schuh unter den Rücken erhielte statt des stär¬
kenden Weinchens der Proselytenbelohnung. Dies

vativ; es konnte aber keinen Grund hiefuͤr ange¬
ben und Adam ſagte: du ſollſt Eſel heißen!«
Erboſt ruͤckte dieſer nun mit ſeinem innerſten und
eigentlichen Grunde, der ſeine fixe Idee war,
heraus und warf dem Radicalismus vor, daß er
den Wein verſaͤuert und vertheuert haͤtte. Wenn
man noch ein ſuͤßes und billiges Glas trinken
wolle, ſo ſei dieſes einzig in den abgelegenen
altvaͤteriſchen Wirthſchaften zu finden, wo die
alten Zoͤpfe hinkroͤchen, ſich vor der Welt
zu verbergen. »Sauft,« ſchrie er, »den ra¬
dicalen Rachenputzer eurer beruͤhmten politiſchen
Wirthe! Ich halt' es mit den Zoͤpfen!« Da
allerdings etwas Wahres in dieſem Vorwurfe
lag, ſo entbrannten die drei Uebrigen ihrerſeits
im Zorne, ſchalten den Conſervativen einen Ver¬
leumder und ſuchten ihm zu beweiſen, daß er
ohne den Radicalismus gar keinen Wein zu rie¬
chen bekaͤme, weder guten, noch ſchlechten, daß
er ſelbſt als conſervativer Parteibedienter voͤllig
uͤberfluͤſſig waͤre und von ſeinen Zoͤpfen den
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[434/0444] vativ; es konnte aber keinen Grund hiefuͤr ange¬ ben und Adam ſagte: du ſollſt Eſel heißen!« Erboſt ruͤckte dieſer nun mit ſeinem innerſten und eigentlichen Grunde, der ſeine fixe Idee war, heraus und warf dem Radicalismus vor, daß er den Wein verſaͤuert und vertheuert haͤtte. Wenn man noch ein ſuͤßes und billiges Glas trinken wolle, ſo ſei dieſes einzig in den abgelegenen altvaͤteriſchen Wirthſchaften zu finden, wo die alten Zoͤpfe hinkroͤchen, ſich vor der Welt zu verbergen. »Sauft,« ſchrie er, »den ra¬ dicalen Rachenputzer eurer beruͤhmten politiſchen Wirthe! Ich halt' es mit den Zoͤpfen!« Da allerdings etwas Wahres in dieſem Vorwurfe lag, ſo entbrannten die drei Uebrigen ihrerſeits im Zorne, ſchalten den Conſervativen einen Ver¬ leumder und ſuchten ihm zu beweiſen, daß er ohne den Radicalismus gar keinen Wein zu rie¬ chen bekaͤme, weder guten, noch ſchlechten, daß er ſelbſt als conſervativer Parteibedienter voͤllig uͤberfluͤſſig waͤre und von ſeinen Zoͤpfen den Schuh unter den Ruͤcken erhielte ſtatt des ſtaͤr¬ kenden Weinchens der Proſelytenbelohnung. Dies

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/444>, abgerufen am 23.11.2024.