die Brunneckerin vorstellen sollte, während ich den Rudenz machte, das Ereigniß herbeigeführt und daß unsere Küsse in den seltsamen Kleidern wohnten, welche wir anhatten. Jedenfalls hätte ich ohne diesen Umstand noch lange warten kön¬ nen, bis uns eine solche Vertraulichkeit wider¬ fahren wäre.
Ein gewaltiges Rauschen in den Baumkro¬ nen rings um uns weckte uns aus der melancho¬ lischen Versenkung, die eigentlich schon wieder an eine andere Art von schönem Glück streifte; denn meiner Erinnerung sind die letzten Augen¬ blicke, ehe uns der starke Südwind wach rauschte, nicht weniger lieb und kostbar, als jener Ritt auf der Höhe und durch den Tannenwald. Auch Anna schien sich zufriedener zu fühlen; als wir uns erhoben, lächelte sie flüchtig gegen unser ver¬ schwindendes Bild im Wasser, doch schienen ihre anmuthig entschiedenen Bewegungen zugleich zu sagen: Wage es ferner nicht, uns berührend zu begegnen, bis die rechte Stunde gekommen!
Die Pferde hatten längst zu trinken aufge¬ hört und standen verwundert in der engen Wild¬
die Brunneckerin vorſtellen ſollte, waͤhrend ich den Rudenz machte, das Ereigniß herbeigefuͤhrt und daß unſere Kuͤſſe in den ſeltſamen Kleidern wohnten, welche wir anhatten. Jedenfalls haͤtte ich ohne dieſen Umſtand noch lange warten koͤn¬ nen, bis uns eine ſolche Vertraulichkeit wider¬ fahren waͤre.
Ein gewaltiges Rauſchen in den Baumkro¬ nen rings um uns weckte uns aus der melancho¬ liſchen Verſenkung, die eigentlich ſchon wieder an eine andere Art von ſchoͤnem Gluͤck ſtreifte; denn meiner Erinnerung ſind die letzten Augen¬ blicke, ehe uns der ſtarke Suͤdwind wach rauſchte, nicht weniger lieb und koſtbar, als jener Ritt auf der Hoͤhe und durch den Tannenwald. Auch Anna ſchien ſich zufriedener zu fuͤhlen; als wir uns erhoben, laͤchelte ſie fluͤchtig gegen unſer ver¬ ſchwindendes Bild im Waſſer, doch ſchienen ihre anmuthig entſchiedenen Bewegungen zugleich zu ſagen: Wage es ferner nicht, uns beruͤhrend zu begegnen, bis die rechte Stunde gekommen!
Die Pferde hatten laͤngſt zu trinken aufge¬ hoͤrt und ſtanden verwundert in der engen Wild¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0426"n="416"/>
die Brunneckerin vorſtellen ſollte, waͤhrend ich<lb/>
den Rudenz machte, das Ereigniß herbeigefuͤhrt<lb/>
und daß unſere Kuͤſſe in den ſeltſamen Kleidern<lb/>
wohnten, welche wir anhatten. Jedenfalls haͤtte<lb/>
ich ohne dieſen Umſtand noch lange warten koͤn¬<lb/>
nen, bis uns eine ſolche Vertraulichkeit wider¬<lb/>
fahren waͤre.</p><lb/><p>Ein gewaltiges Rauſchen in den Baumkro¬<lb/>
nen rings um uns weckte uns aus der melancho¬<lb/>
liſchen Verſenkung, die eigentlich ſchon wieder<lb/>
an eine andere Art von ſchoͤnem Gluͤck ſtreifte;<lb/>
denn meiner Erinnerung ſind die letzten Augen¬<lb/>
blicke, ehe uns der ſtarke Suͤdwind wach rauſchte,<lb/>
nicht weniger lieb und koſtbar, als jener Ritt<lb/>
auf der Hoͤhe und durch den Tannenwald. Auch<lb/>
Anna ſchien ſich zufriedener zu fuͤhlen; als wir<lb/>
uns erhoben, laͤchelte ſie fluͤchtig gegen unſer ver¬<lb/>ſchwindendes Bild im Waſſer, doch ſchienen ihre<lb/>
anmuthig entſchiedenen Bewegungen zugleich zu<lb/>ſagen: Wage es ferner nicht, uns beruͤhrend zu<lb/>
begegnen, bis die rechte Stunde gekommen!</p><lb/><p>Die Pferde hatten laͤngſt zu trinken aufge¬<lb/>
hoͤrt und ſtanden verwundert in der engen Wild¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[416/0426]
die Brunneckerin vorſtellen ſollte, waͤhrend ich
den Rudenz machte, das Ereigniß herbeigefuͤhrt
und daß unſere Kuͤſſe in den ſeltſamen Kleidern
wohnten, welche wir anhatten. Jedenfalls haͤtte
ich ohne dieſen Umſtand noch lange warten koͤn¬
nen, bis uns eine ſolche Vertraulichkeit wider¬
fahren waͤre.
Ein gewaltiges Rauſchen in den Baumkro¬
nen rings um uns weckte uns aus der melancho¬
liſchen Verſenkung, die eigentlich ſchon wieder
an eine andere Art von ſchoͤnem Gluͤck ſtreifte;
denn meiner Erinnerung ſind die letzten Augen¬
blicke, ehe uns der ſtarke Suͤdwind wach rauſchte,
nicht weniger lieb und koſtbar, als jener Ritt
auf der Hoͤhe und durch den Tannenwald. Auch
Anna ſchien ſich zufriedener zu fuͤhlen; als wir
uns erhoben, laͤchelte ſie fluͤchtig gegen unſer ver¬
ſchwindendes Bild im Waſſer, doch ſchienen ihre
anmuthig entſchiedenen Bewegungen zugleich zu
ſagen: Wage es ferner nicht, uns beruͤhrend zu
begegnen, bis die rechte Stunde gekommen!
Die Pferde hatten laͤngſt zu trinken aufge¬
hoͤrt und ſtanden verwundert in der engen Wild¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/426>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.