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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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welche ich ihr so harmlos gelegt, der Philosoph
rüstete sich sichtbar zu endlosem Unfuge, als Anna
plötzlich das Buch zuschlug, es hinwarf, und höchst
entschieden erklärte, sie wolle sogleich nach Hause.
Zugleich wandte sie ihr Pferd und begann feld¬
ein zu reiten auf einem schmalen Fahrwege, un¬
gefähr in der Richtung nach unserm Dorfe, Ver¬
legen und unentschlossen sah ich ihr eine Weile
nach; doch faßte ich mir ein Herz und trabte
bald hinter ihr her, da sie doch einen Begleiter
haben mußte; während ich sie erreichte, sang uns
der Philosoph ein loses Lied nach, welches jedoch
immer schwächer hinter uns verklang, und zuletzt
hörten wir nichts mehr als die muntere, aber
ferne Hochzeitsmusik aus der hohlen Gasse und
vereinzelte Freudenrufe und Jauchzer an verschie¬
denen Punkten der Landschaft. Diese erschien
aber durch die Unterbrechungen nur um so stiller
und lag mit Feldern und Wäldern friedevoll und
doch so freudenvoll im Glanze der Nachmittags¬
sonne, wie im reinsten Golde. Wir ritten nun
auf einer gestreckten Höhe, ich hielt mein Pferd
immer noch um eine Kopflänge hinter dem ihri¬

welche ich ihr ſo harmlos gelegt, der Philoſoph
ruͤſtete ſich ſichtbar zu endloſem Unfuge, als Anna
ploͤtzlich das Buch zuſchlug, es hinwarf, und hoͤchſt
entſchieden erklaͤrte, ſie wolle ſogleich nach Hauſe.
Zugleich wandte ſie ihr Pferd und begann feld¬
ein zu reiten auf einem ſchmalen Fahrwege, un¬
gefaͤhr in der Richtung nach unſerm Dorfe, Ver¬
legen und unentſchloſſen ſah ich ihr eine Weile
nach; doch faßte ich mir ein Herz und trabte
bald hinter ihr her, da ſie doch einen Begleiter
haben mußte; waͤhrend ich ſie erreichte, ſang uns
der Philoſoph ein loſes Lied nach, welches jedoch
immer ſchwaͤcher hinter uns verklang, und zuletzt
hoͤrten wir nichts mehr als die muntere, aber
ferne Hochzeitsmuſik aus der hohlen Gaſſe und
vereinzelte Freudenrufe und Jauchzer an verſchie¬
denen Punkten der Landſchaft. Dieſe erſchien
aber durch die Unterbrechungen nur um ſo ſtiller
und lag mit Feldern und Waͤldern friedevoll und
doch ſo freudenvoll im Glanze der Nachmittags¬
ſonne, wie im reinſten Golde. Wir ritten nun
auf einer geſtreckten Hoͤhe, ich hielt mein Pferd
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[405/0415] welche ich ihr ſo harmlos gelegt, der Philoſoph ruͤſtete ſich ſichtbar zu endloſem Unfuge, als Anna ploͤtzlich das Buch zuſchlug, es hinwarf, und hoͤchſt entſchieden erklaͤrte, ſie wolle ſogleich nach Hauſe. Zugleich wandte ſie ihr Pferd und begann feld¬ ein zu reiten auf einem ſchmalen Fahrwege, un¬ gefaͤhr in der Richtung nach unſerm Dorfe, Ver¬ legen und unentſchloſſen ſah ich ihr eine Weile nach; doch faßte ich mir ein Herz und trabte bald hinter ihr her, da ſie doch einen Begleiter haben mußte; waͤhrend ich ſie erreichte, ſang uns der Philoſoph ein loſes Lied nach, welches jedoch immer ſchwaͤcher hinter uns verklang, und zuletzt hoͤrten wir nichts mehr als die muntere, aber ferne Hochzeitsmuſik aus der hohlen Gaſſe und vereinzelte Freudenrufe und Jauchzer an verſchie¬ denen Punkten der Landſchaft. Dieſe erſchien aber durch die Unterbrechungen nur um ſo ſtiller und lag mit Feldern und Waͤldern friedevoll und doch ſo freudenvoll im Glanze der Nachmittags¬ ſonne, wie im reinſten Golde. Wir ritten nun auf einer geſtreckten Hoͤhe, ich hielt mein Pferd immer noch um eine Kopflaͤnge hinter dem ihri¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/415>, abgerufen am 23.11.2024.