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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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den Sattel half, klopfte mir das Herz vor hef¬
tigem Vergnügen und stand wieder still vor an¬
genehmem Schreck, weil ich voraussah, bald allein
neben ihr durch die Landschaft zu reiten.

Dies traf auch ein, obgleich noch auf andere
Weise, als ich es gehofft hatte. Wir waren noch
nicht weit aus dem Thore, als der gastliche Schul¬
meister sein Wägelchen schon mit drei alten Leut¬
chen beladen hatte und in lustigem Trabe voraus¬
fuhr, der angenommenen hohlen Gasse zu. Still
ritten wir nun im Schritte dahin und grüßten
sehr beflissen die fröhlichen Leute, denen wir be¬
gegneten, links und rechts, bis wir in die Nähe
der wogenden und summenden Menge kamen und
dieselbe beinah erreichten. Da stießen wir auf
den Philosophen, dessen schönes Gesichtchen vor
Muthwillen glühte und den tollen Spuk ver¬
kündigte, welchen er schon ausgeübt. Er war in
gewöhnlicher Kleidung und trug ein Buch in der
Hand, da er nebst einem anderen Lehrer das Amt
eines Einbläsers übernommen, um überall zur
Hand zu sein, wenn einen Helden die Erinne¬
rung verlassen sollte. Doch erzählte er jetzt, wie

den Sattel half, klopfte mir das Herz vor hef¬
tigem Vergnuͤgen und ſtand wieder ſtill vor an¬
genehmem Schreck, weil ich vorausſah, bald allein
neben ihr durch die Landſchaft zu reiten.

Dies traf auch ein, obgleich noch auf andere
Weiſe, als ich es gehofft hatte. Wir waren noch
nicht weit aus dem Thore, als der gaſtliche Schul¬
meiſter ſein Waͤgelchen ſchon mit drei alten Leut¬
chen beladen hatte und in luſtigem Trabe voraus¬
fuhr, der angenommenen hohlen Gaſſe zu. Still
ritten wir nun im Schritte dahin und gruͤßten
ſehr befliſſen die froͤhlichen Leute, denen wir be¬
gegneten, links und rechts, bis wir in die Naͤhe
der wogenden und ſummenden Menge kamen und
dieſelbe beinah erreichten. Da ſtießen wir auf
den Philoſophen, deſſen ſchoͤnes Geſichtchen vor
Muthwillen gluͤhte und den tollen Spuk ver¬
kuͤndigte, welchen er ſchon ausgeuͤbt. Er war in
gewoͤhnlicher Kleidung und trug ein Buch in der
Hand, da er nebſt einem anderen Lehrer das Amt
eines Einblaͤſers uͤbernommen, um uͤberall zur
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[403/0413] den Sattel half, klopfte mir das Herz vor hef¬ tigem Vergnuͤgen und ſtand wieder ſtill vor an¬ genehmem Schreck, weil ich vorausſah, bald allein neben ihr durch die Landſchaft zu reiten. Dies traf auch ein, obgleich noch auf andere Weiſe, als ich es gehofft hatte. Wir waren noch nicht weit aus dem Thore, als der gaſtliche Schul¬ meiſter ſein Waͤgelchen ſchon mit drei alten Leut¬ chen beladen hatte und in luſtigem Trabe voraus¬ fuhr, der angenommenen hohlen Gaſſe zu. Still ritten wir nun im Schritte dahin und gruͤßten ſehr befliſſen die froͤhlichen Leute, denen wir be¬ gegneten, links und rechts, bis wir in die Naͤhe der wogenden und ſummenden Menge kamen und dieſelbe beinah erreichten. Da ſtießen wir auf den Philoſophen, deſſen ſchoͤnes Geſichtchen vor Muthwillen gluͤhte und den tollen Spuk ver¬ kuͤndigte, welchen er ſchon ausgeuͤbt. Er war in gewoͤhnlicher Kleidung und trug ein Buch in der Hand, da er nebſt einem anderen Lehrer das Amt eines Einblaͤſers uͤbernommen, um uͤberall zur Hand zu ſein, wenn einen Helden die Erinne¬ rung verlaſſen ſollte. Doch erzaͤhlte er jetzt, wie

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/413>, abgerufen am 23.11.2024.