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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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der Regierung sein Amt vor die Füße zu wer¬
fen, sich an die Spitze einer Bewegung zu
stellen und mittelst seiner Einsicht und sei¬
ner Energie die Gewalthaber wieder dahin
zu jagen, von wannen sie gekommen: das hat
er unterlassen, und dies Unterlassen kostet ihm
zehnmal mehr Mühe und Bitterkeit, als seine
ununterbrochene arbeitsvolle Amtsführung. Den
Landleuten gegenüber braucht er nur zu leben,
wie er es thut, um in seiner Würde fest zu stehen.
Bei den Behörden aber und in der Hauptstadt
braucht es manches verbindliche Lächeln, manche,
wenn auch noch so unschuldige Schnörkelei, wo
er lieber sagen würde: Herr! Sie sind ein großer
Narr! oder: Herr! Sie scheinen ein Spitzbube zu
sein! Denn wie gesagt, er hat ein dunkles
Grauen vor dem, was man Brotlosigkeit nennt.

Aber zum Teufel! sagte ich, sind denn unsere
Herren Regenten zu irgend einer Zeit etwas An¬
deres, als ein Stück Volk und leben wir nicht in
einer Republik?

Allerdings, mein lieber Sohn! erwiederte der
Schulmeister; allein es bleibt eine wunderbare

der Regierung ſein Amt vor die Fuͤße zu wer¬
fen, ſich an die Spitze einer Bewegung zu
ſtellen und mittelſt ſeiner Einſicht und ſei¬
ner Energie die Gewalthaber wieder dahin
zu jagen, von wannen ſie gekommen: das hat
er unterlaſſen, und dies Unterlaſſen koſtet ihm
zehnmal mehr Muͤhe und Bitterkeit, als ſeine
ununterbrochene arbeitsvolle Amtsfuͤhrung. Den
Landleuten gegenuͤber braucht er nur zu leben,
wie er es thut, um in ſeiner Wuͤrde feſt zu ſtehen.
Bei den Behoͤrden aber und in der Hauptſtadt
braucht es manches verbindliche Laͤcheln, manche,
wenn auch noch ſo unſchuldige Schnoͤrkelei, wo
er lieber ſagen wuͤrde: Herr! Sie ſind ein großer
Narr! oder: Herr! Sie ſcheinen ein Spitzbube zu
ſein! Denn wie geſagt, er hat ein dunkles
Grauen vor dem, was man Brotloſigkeit nennt.

Aber zum Teufel! ſagte ich, ſind denn unſere
Herren Regenten zu irgend einer Zeit etwas An¬
deres, als ein Stuͤck Volk und leben wir nicht in
einer Republik?

Allerdings, mein lieber Sohn! erwiederte der
Schulmeiſter; allein es bleibt eine wunderbare

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[397/0407] der Regierung ſein Amt vor die Fuͤße zu wer¬ fen, ſich an die Spitze einer Bewegung zu ſtellen und mittelſt ſeiner Einſicht und ſei¬ ner Energie die Gewalthaber wieder dahin zu jagen, von wannen ſie gekommen: das hat er unterlaſſen, und dies Unterlaſſen koſtet ihm zehnmal mehr Muͤhe und Bitterkeit, als ſeine ununterbrochene arbeitsvolle Amtsfuͤhrung. Den Landleuten gegenuͤber braucht er nur zu leben, wie er es thut, um in ſeiner Wuͤrde feſt zu ſtehen. Bei den Behoͤrden aber und in der Hauptſtadt braucht es manches verbindliche Laͤcheln, manche, wenn auch noch ſo unſchuldige Schnoͤrkelei, wo er lieber ſagen wuͤrde: Herr! Sie ſind ein großer Narr! oder: Herr! Sie ſcheinen ein Spitzbube zu ſein! Denn wie geſagt, er hat ein dunkles Grauen vor dem, was man Brotloſigkeit nennt. Aber zum Teufel! ſagte ich, ſind denn unſere Herren Regenten zu irgend einer Zeit etwas An¬ deres, als ein Stuͤck Volk und leben wir nicht in einer Republik? Allerdings, mein lieber Sohn! erwiederte der Schulmeiſter; allein es bleibt eine wunderbare

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/407>, abgerufen am 23.11.2024.