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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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sinn bringe, der aus warmem Gottvertrauen ent¬
springe und erst die rechte Opferfreudigkeit, die
allerfreieste Beweglichkeit von Leib und Seele
möglich mache. Wenn unsere fleißigen Männer
einmal einsähen, daß im Evangelio noch eine
viel aufgewecktere und schönere Beweglichkeit ge¬
lehrt würde, als diejenige sei, welche der Holz¬
händler predige, so werde das Politisiren noch
viel erklecklicher von Statten gehen und erst die
reifen Früchte bringen. Ich wollte eben hierge¬
gen mein rundes Veto einlegen, als Jemand mir
auf die Achsel klopfte; als ich mich umwandte,
stand der Statthalter hinter uns, welcher freund¬
lich sagte: Obgleich ich nicht der Ansicht bin,
daß man in einer guten Republik stark auf die
Meinungen der Jugend achte, so lange die Al¬
ten das Salz nicht verloren haben und Thoren
geworden sind, so will ich doch versuchen, junger
Herr! euren Kummer zu lindern, damit euch
über vermeintlichen trüben Erfahrungen nicht die¬
ser schöne Tag zu Schanden gehe; zudem habt
ihr noch nicht einmal jenes Jugendalter erreicht,
welches ich eigentlich meine, und da ihr schon so

ſinn bringe, der aus warmem Gottvertrauen ent¬
ſpringe und erſt die rechte Opferfreudigkeit, die
allerfreieſte Beweglichkeit von Leib und Seele
moͤglich mache. Wenn unſere fleißigen Maͤnner
einmal einſaͤhen, daß im Evangelio noch eine
viel aufgewecktere und ſchoͤnere Beweglichkeit ge¬
lehrt wuͤrde, als diejenige ſei, welche der Holz¬
haͤndler predige, ſo werde das Politiſiren noch
viel erklecklicher von Statten gehen und erſt die
reifen Fruͤchte bringen. Ich wollte eben hierge¬
gen mein rundes Veto einlegen, als Jemand mir
auf die Achſel klopfte; als ich mich umwandte,
ſtand der Statthalter hinter uns, welcher freund¬
lich ſagte: Obgleich ich nicht der Anſicht bin,
daß man in einer guten Republik ſtark auf die
Meinungen der Jugend achte, ſo lange die Al¬
ten das Salz nicht verloren haben und Thoren
geworden ſind, ſo will ich doch verſuchen, junger
Herr! euren Kummer zu lindern, damit euch
uͤber vermeintlichen truͤben Erfahrungen nicht die¬
ſer ſchoͤne Tag zu Schanden gehe; zudem habt
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[391/0401] ſinn bringe, der aus warmem Gottvertrauen ent¬ ſpringe und erſt die rechte Opferfreudigkeit, die allerfreieſte Beweglichkeit von Leib und Seele moͤglich mache. Wenn unſere fleißigen Maͤnner einmal einſaͤhen, daß im Evangelio noch eine viel aufgewecktere und ſchoͤnere Beweglichkeit ge¬ lehrt wuͤrde, als diejenige ſei, welche der Holz¬ haͤndler predige, ſo werde das Politiſiren noch viel erklecklicher von Statten gehen und erſt die reifen Fruͤchte bringen. Ich wollte eben hierge¬ gen mein rundes Veto einlegen, als Jemand mir auf die Achſel klopfte; als ich mich umwandte, ſtand der Statthalter hinter uns, welcher freund¬ lich ſagte: Obgleich ich nicht der Anſicht bin, daß man in einer guten Republik ſtark auf die Meinungen der Jugend achte, ſo lange die Al¬ ten das Salz nicht verloren haben und Thoren geworden ſind, ſo will ich doch verſuchen, junger Herr! euren Kummer zu lindern, damit euch uͤber vermeintlichen truͤben Erfahrungen nicht die¬ ſer ſchoͤne Tag zu Schanden gehe; zudem habt ihr noch nicht einmal jenes Jugendalter erreicht, welches ich eigentlich meine, und da ihr ſchon ſo

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/401>, abgerufen am 23.11.2024.