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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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bildeten in ungeheuren Vorräthen ein großes La¬
byrinth, dazwischen kleine und große Gärten,
denn wenn ein Platz für einen Sommer frei war,
so wurde schnell Gemüse darauf gesäet; hie und
da beschatteten mächtige Tannen, die er noch hatte
stehen lassen, eine Sägemühle oder Schmiede.
Sein Wohnhaus lag mehr wie eine Arbeiterhütte,
als wie ein Herrenhaus dazwischen hingeworfen
und seine Frauensleute mußten für ein bescheide¬
nes Ziergärtchen einen fortwährenden Krieg füh¬
ren und mit demselben stets um das Haus herum
flüchten; bald wurde es an diese, bald an jene
Ecke geschoben, von Hecken oder Geländern war
auf dem ganzen Grundstück nichts zu sehen. Es
lag ein großer Reichthum darin, aber dieser än¬
derte täglich seine äußere Gestalt; selbst die Dä¬
cher von den Gebäuden verkaufte der Mann manch¬
mal, wenn sich günstige Gelegenheit bot, und
doch saß er seit langer Zeit auf diesem Besitze
und die fragliche Straße schien demselben die
Krone aufzusetzen; denn eine gute Straße dünkte
ihm das beste Ding von der Welt, nur müsse sie
ohne kostspielige Meilenzeiger und ohne Akazien¬

bildeten in ungeheuren Vorraͤthen ein großes La¬
byrinth, dazwiſchen kleine und große Gaͤrten,
denn wenn ein Platz fuͤr einen Sommer frei war,
ſo wurde ſchnell Gemuͤſe darauf geſaͤet; hie und
da beſchatteten maͤchtige Tannen, die er noch hatte
ſtehen laſſen, eine Saͤgemuͤhle oder Schmiede.
Sein Wohnhaus lag mehr wie eine Arbeiterhuͤtte,
als wie ein Herrenhaus dazwiſchen hingeworfen
und ſeine Frauensleute mußten fuͤr ein beſcheide¬
nes Ziergaͤrtchen einen fortwaͤhrenden Krieg fuͤh¬
ren und mit demſelben ſtets um das Haus herum
fluͤchten; bald wurde es an dieſe, bald an jene
Ecke geſchoben, von Hecken oder Gelaͤndern war
auf dem ganzen Grundſtuͤck nichts zu ſehen. Es
lag ein großer Reichthum darin, aber dieſer aͤn¬
derte taͤglich ſeine aͤußere Geſtalt; ſelbſt die Daͤ¬
cher von den Gebaͤuden verkaufte der Mann manch¬
mal, wenn ſich guͤnſtige Gelegenheit bot, und
doch ſaß er ſeit langer Zeit auf dieſem Beſitze
und die fragliche Straße ſchien demſelben die
Krone aufzuſetzen; denn eine gute Straße duͤnkte
ihm das beſte Ding von der Welt, nur muͤſſe ſie
ohne koſtſpielige Meilenzeiger und ohne Akazien¬

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[383/0393] bildeten in ungeheuren Vorraͤthen ein großes La¬ byrinth, dazwiſchen kleine und große Gaͤrten, denn wenn ein Platz fuͤr einen Sommer frei war, ſo wurde ſchnell Gemuͤſe darauf geſaͤet; hie und da beſchatteten maͤchtige Tannen, die er noch hatte ſtehen laſſen, eine Saͤgemuͤhle oder Schmiede. Sein Wohnhaus lag mehr wie eine Arbeiterhuͤtte, als wie ein Herrenhaus dazwiſchen hingeworfen und ſeine Frauensleute mußten fuͤr ein beſcheide¬ nes Ziergaͤrtchen einen fortwaͤhrenden Krieg fuͤh¬ ren und mit demſelben ſtets um das Haus herum fluͤchten; bald wurde es an dieſe, bald an jene Ecke geſchoben, von Hecken oder Gelaͤndern war auf dem ganzen Grundſtuͤck nichts zu ſehen. Es lag ein großer Reichthum darin, aber dieſer aͤn¬ derte taͤglich ſeine aͤußere Geſtalt; ſelbſt die Daͤ¬ cher von den Gebaͤuden verkaufte der Mann manch¬ mal, wenn ſich guͤnſtige Gelegenheit bot, und doch ſaß er ſeit langer Zeit auf dieſem Beſitze und die fragliche Straße ſchien demſelben die Krone aufzuſetzen; denn eine gute Straße duͤnkte ihm das beſte Ding von der Welt, nur muͤſſe ſie ohne koſtſpielige Meilenzeiger und ohne Akazien¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/393>, abgerufen am 17.05.2024.