Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Deswegen eiferte er immer gegen die schönen
großen Schulhäuser, gegen die erhöhten Besol¬
dungen der Lehrer u. dgl., weil ein Land, wel¬
ches mit einer Menge bescheidener, aber mit allen
Mitteln vollgepropfter Schulstuben gespickt sei, in
bequemer Nähe überall, wo ein Paar Kinder
wohnen, und wo an allen Ecken und Enden tapfer
und emsig gelernt würde in aller Unschein¬
barkeit, erst die wahre Cultur aufzeige. Der
gravitätische Aufwand, behauptete der Holzhänd¬
ler, behindere nur die tüchtige Bewegung; nicht
ein goldenes Schwert thue Noth, dessen mit Edel¬
steinen besetzter Griff die Hand genire, sondern
eine scharfe leichte Axt, deren hölzerner Stiel,
vom rüstigen Gebrauche geglättet, der Hand voll¬
kommen gerecht sei zur Vertheidigung wie zur
Arbeit, und die ehrwürdige Politur an einem
solchen Axtstiele sei ein viel schönerer Glanz, als
Gold und Steine jenes Schwertgriffes darböten.
Ein Volk, welches Paläste baue, bestelle sich nur
zierliche Grabsteine, und der Wandelbarkeit könne
noch am besten widerstanden werden, wenn man
sich unter ihrem Panier schlau durch die Zeit

Deswegen eiferte er immer gegen die ſchoͤnen
großen Schulhaͤuſer, gegen die erhoͤhten Beſol¬
dungen der Lehrer u. dgl., weil ein Land, wel¬
ches mit einer Menge beſcheidener, aber mit allen
Mitteln vollgepropfter Schulſtuben geſpickt ſei, in
bequemer Naͤhe uͤberall, wo ein Paar Kinder
wohnen, und wo an allen Ecken und Enden tapfer
und emſig gelernt wuͤrde in aller Unſchein¬
barkeit, erſt die wahre Cultur aufzeige. Der
gravitaͤtiſche Aufwand, behauptete der Holzhaͤnd¬
ler, behindere nur die tuͤchtige Bewegung; nicht
ein goldenes Schwert thue Noth, deſſen mit Edel¬
ſteinen beſetzter Griff die Hand genire, ſondern
eine ſcharfe leichte Axt, deren hoͤlzerner Stiel,
vom ruͤſtigen Gebrauche geglaͤttet, der Hand voll¬
kommen gerecht ſei zur Vertheidigung wie zur
Arbeit, und die ehrwuͤrdige Politur an einem
ſolchen Axtſtiele ſei ein viel ſchoͤnerer Glanz, als
Gold und Steine jenes Schwertgriffes darboͤten.
Ein Volk, welches Palaͤſte baue, beſtelle ſich nur
zierliche Grabſteine, und der Wandelbarkeit koͤnne
noch am beſten widerſtanden werden, wenn man
ſich unter ihrem Panier ſchlau durch die Zeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0391" n="381"/>
Deswegen eiferte er immer gegen die &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
großen Schulha&#x0364;u&#x017F;er, gegen die erho&#x0364;hten Be&#x017F;ol¬<lb/>
dungen der Lehrer u. dgl., weil ein Land, wel¬<lb/>
ches mit einer Menge be&#x017F;cheidener, aber mit allen<lb/>
Mitteln vollgepropfter Schul&#x017F;tuben ge&#x017F;pickt &#x017F;ei, in<lb/>
bequemer Na&#x0364;he u&#x0364;berall, wo ein Paar Kinder<lb/>
wohnen, und wo an allen Ecken und Enden tapfer<lb/>
und em&#x017F;ig gelernt wu&#x0364;rde in aller Un&#x017F;chein¬<lb/>
barkeit, er&#x017F;t die wahre Cultur aufzeige. Der<lb/>
gravita&#x0364;ti&#x017F;che Aufwand, behauptete der Holzha&#x0364;nd¬<lb/>
ler, behindere nur die tu&#x0364;chtige Bewegung; nicht<lb/>
ein goldenes Schwert thue Noth, de&#x017F;&#x017F;en mit Edel¬<lb/>
&#x017F;teinen be&#x017F;etzter Griff die Hand genire, &#x017F;ondern<lb/>
eine &#x017F;charfe leichte Axt, deren ho&#x0364;lzerner Stiel,<lb/>
vom ru&#x0364;&#x017F;tigen Gebrauche gegla&#x0364;ttet, der Hand voll¬<lb/>
kommen gerecht &#x017F;ei zur Vertheidigung wie zur<lb/>
Arbeit, und die ehrwu&#x0364;rdige Politur an einem<lb/>
&#x017F;olchen Axt&#x017F;tiele &#x017F;ei ein viel &#x017F;cho&#x0364;nerer Glanz, als<lb/>
Gold und Steine jenes Schwertgriffes darbo&#x0364;ten.<lb/>
Ein Volk, welches Pala&#x0364;&#x017F;te baue, be&#x017F;telle &#x017F;ich nur<lb/>
zierliche Grab&#x017F;teine, und der Wandelbarkeit ko&#x0364;nne<lb/>
noch am be&#x017F;ten wider&#x017F;tanden werden, wenn man<lb/>
&#x017F;ich unter ihrem Panier &#x017F;chlau durch die Zeit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0391] Deswegen eiferte er immer gegen die ſchoͤnen großen Schulhaͤuſer, gegen die erhoͤhten Beſol¬ dungen der Lehrer u. dgl., weil ein Land, wel¬ ches mit einer Menge beſcheidener, aber mit allen Mitteln vollgepropfter Schulſtuben geſpickt ſei, in bequemer Naͤhe uͤberall, wo ein Paar Kinder wohnen, und wo an allen Ecken und Enden tapfer und emſig gelernt wuͤrde in aller Unſchein¬ barkeit, erſt die wahre Cultur aufzeige. Der gravitaͤtiſche Aufwand, behauptete der Holzhaͤnd¬ ler, behindere nur die tuͤchtige Bewegung; nicht ein goldenes Schwert thue Noth, deſſen mit Edel¬ ſteinen beſetzter Griff die Hand genire, ſondern eine ſcharfe leichte Axt, deren hoͤlzerner Stiel, vom ruͤſtigen Gebrauche geglaͤttet, der Hand voll¬ kommen gerecht ſei zur Vertheidigung wie zur Arbeit, und die ehrwuͤrdige Politur an einem ſolchen Axtſtiele ſei ein viel ſchoͤnerer Glanz, als Gold und Steine jenes Schwertgriffes darboͤten. Ein Volk, welches Palaͤſte baue, beſtelle ſich nur zierliche Grabſteine, und der Wandelbarkeit koͤnne noch am beſten widerſtanden werden, wenn man ſich unter ihrem Panier ſchlau durch die Zeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/391
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/391>, abgerufen am 23.11.2024.