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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Der Platz wurde jetzt geräumt, das sämmtliche
Volk, mit und ohne Kostüm, an die Seiten ver¬
wiesen und vor allen Fenstern, auf Treppen, Ga¬
lerien und Dächern wimmelte die Menge. Bei
der Stange gingen die beiden Wachen auf und
ab, jetzt kam der Tell mit seinem Knaben über
den Platz gegangen, von rauschendem Beifall be¬
grüßt; er hielt das Gespräch mit dem Kinde
nicht, sondern wurde bald in den schlimmen Han¬
del mit den Schergen verwickelt, dem das Volk
mit gespannter Aufmerksamkeit zusah, indessen
Anna und ich nebst anderm zwingherrlichen Ge¬
lichter uns zur Hinterthür hinaus begaben und
zu Pferde stiegen, da es Zeit war, uns mit dem
Geßler'schen Jagdzuge zu vereinigen, der schon
vor dem Thore hielt. Wir ritten nun unter
Trompetenklang herein und fanden die Handlung
in vollem Gange, den Tell in großen Nöthen
und das Volk in lebhafter Bewegung und nur
zu geneigt, den Helden seinen Drängern zu ent¬
reißen. Doch als der Landvogt seine Reden be¬
gann, wurde es still. Die Rollen wurden nicht
theatralisch und mit Geberdenspiel gesprochen,

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Der Platz wurde jetzt geraͤumt, das ſaͤmmtliche
Volk, mit und ohne Koſtuͤm, an die Seiten ver¬
wieſen und vor allen Fenſtern, auf Treppen, Ga¬
lerien und Daͤchern wimmelte die Menge. Bei
der Stange gingen die beiden Wachen auf und
ab, jetzt kam der Tell mit ſeinem Knaben uͤber
den Platz gegangen, von rauſchendem Beifall be¬
gruͤßt; er hielt das Geſpraͤch mit dem Kinde
nicht, ſondern wurde bald in den ſchlimmen Han¬
del mit den Schergen verwickelt, dem das Volk
mit geſpannter Aufmerkſamkeit zuſah, indeſſen
Anna und ich nebſt anderm zwingherrlichen Ge¬
lichter uns zur Hinterthuͤr hinaus begaben und
zu Pferde ſtiegen, da es Zeit war, uns mit dem
Geßler'ſchen Jagdzuge zu vereinigen, der ſchon
vor dem Thore hielt. Wir ritten nun unter
Trompetenklang herein und fanden die Handlung
in vollem Gange, den Tell in großen Noͤthen
und das Volk in lebhafter Bewegung und nur
zu geneigt, den Helden ſeinen Draͤngern zu ent¬
reißen. Doch als der Landvogt ſeine Reden be¬
gann, wurde es ſtill. Die Rollen wurden nicht
theatraliſch und mit Geberdenſpiel geſprochen,

23 *
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[361/0371] Der Platz wurde jetzt geraͤumt, das ſaͤmmtliche Volk, mit und ohne Koſtuͤm, an die Seiten ver¬ wieſen und vor allen Fenſtern, auf Treppen, Ga¬ lerien und Daͤchern wimmelte die Menge. Bei der Stange gingen die beiden Wachen auf und ab, jetzt kam der Tell mit ſeinem Knaben uͤber den Platz gegangen, von rauſchendem Beifall be¬ gruͤßt; er hielt das Geſpraͤch mit dem Kinde nicht, ſondern wurde bald in den ſchlimmen Han¬ del mit den Schergen verwickelt, dem das Volk mit geſpannter Aufmerkſamkeit zuſah, indeſſen Anna und ich nebſt anderm zwingherrlichen Ge¬ lichter uns zur Hinterthuͤr hinaus begaben und zu Pferde ſtiegen, da es Zeit war, uns mit dem Geßler'ſchen Jagdzuge zu vereinigen, der ſchon vor dem Thore hielt. Wir ritten nun unter Trompetenklang herein und fanden die Handlung in vollem Gange, den Tell in großen Noͤthen und das Volk in lebhafter Bewegung und nur zu geneigt, den Helden ſeinen Draͤngern zu ent¬ reißen. Doch als der Landvogt ſeine Reden be¬ gann, wurde es ſtill. Die Rollen wurden nicht theatraliſch und mit Geberdenſpiel geſprochen, 23 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/371>, abgerufen am 23.11.2024.