und frohen Spaziergängen auf grüne Berge hoch her ging. Diese Art hat sich auf mich vererbt, nämlich das frohe Genießen der Festtage, und wenn ich an einem Pfingstmorgen auf einem duf¬ tigen Berge stehe in der krystallklaren Luft, so ist mir das Glockengeläute in der fernen Tiefe die allerschönste Musik und ich habe schon oft darüber spintisirt, durch welchen Gebrauch bei einer allfälligen Abschaffung des Kirchenthumes das schöne Geläute wohl erhalten werden dürfte. Es wollte mir jedoch Nichts einfallen, was nicht thöricht und gemacht ausgesehen hätte, und ich fand zuletzt immer, daß der sehnsüchtige Reiz der Glockentöne gerade in dem jetzigen Zustande be¬ stehe, wo sie fern aus der blauen Tiefe herüber¬ klangen und mir sagten, daß dort das Volk in alten gläubigen Erinnerungen versammelt war. In meiner Freiheit ehrte ich dann diese Erinne¬ rungen, wie diejenigen der Kindheit, und eben dadurch, daß ich von ihnen geschieden war, wur¬ den mir die Glocken, die so viele Jahrhunderte in dem alten schönen Lande klangen, wehmü¬ thig ergreifend. Ich empfand, daß man Nichts
und frohen Spaziergaͤngen auf gruͤne Berge hoch her ging. Dieſe Art hat ſich auf mich vererbt, naͤmlich das frohe Genießen der Feſttage, und wenn ich an einem Pfingſtmorgen auf einem duf¬ tigen Berge ſtehe in der kryſtallklaren Luft, ſo iſt mir das Glockengelaͤute in der fernen Tiefe die allerſchoͤnſte Muſik und ich habe ſchon oft daruͤber ſpintiſirt, durch welchen Gebrauch bei einer allfaͤlligen Abſchaffung des Kirchenthumes das ſchoͤne Gelaͤute wohl erhalten werden duͤrfte. Es wollte mir jedoch Nichts einfallen, was nicht thoͤricht und gemacht ausgeſehen haͤtte, und ich fand zuletzt immer, daß der ſehnſuͤchtige Reiz der Glockentoͤne gerade in dem jetzigen Zuſtande be¬ ſtehe, wo ſie fern aus der blauen Tiefe heruͤber¬ klangen und mir ſagten, daß dort das Volk in alten glaͤubigen Erinnerungen verſammelt war. In meiner Freiheit ehrte ich dann dieſe Erinne¬ rungen, wie diejenigen der Kindheit, und eben dadurch, daß ich von ihnen geſchieden war, wur¬ den mir die Glocken, die ſo viele Jahrhunderte in dem alten ſchoͤnen Lande klangen, wehmuͤ¬ thig ergreifend. Ich empfand, daß man Nichts
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und frohen Spaziergaͤngen auf gruͤne Berge hoch
her ging. Dieſe Art hat ſich auf mich vererbt,
naͤmlich das frohe Genießen der Feſttage, und
wenn ich an einem Pfingſtmorgen auf einem duf¬
tigen Berge ſtehe in der kryſtallklaren Luft, ſo
iſt mir das Glockengelaͤute in der fernen Tiefe
die allerſchoͤnſte Muſik und ich habe ſchon oft
daruͤber ſpintiſirt, durch welchen Gebrauch bei
einer allfaͤlligen Abſchaffung des Kirchenthumes
das ſchoͤne Gelaͤute wohl erhalten werden duͤrfte.
Es wollte mir jedoch Nichts einfallen, was nicht
thoͤricht und gemacht ausgeſehen haͤtte, und ich
fand zuletzt immer, daß der ſehnſuͤchtige Reiz der
Glockentoͤne gerade in dem jetzigen Zuſtande be¬
ſtehe, wo ſie fern aus der blauen Tiefe heruͤber¬
klangen und mir ſagten, daß dort das Volk in
alten glaͤubigen Erinnerungen verſammelt war.
In meiner Freiheit ehrte ich dann dieſe Erinne¬
rungen, wie diejenigen der Kindheit, und eben
dadurch, daß ich von ihnen geſchieden war, wur¬
den mir die Glocken, die ſo viele Jahrhunderte
in dem alten ſchoͤnen Lande klangen, wehmuͤ¬
thig ergreifend. Ich empfand, daß man Nichts
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/338>, abgerufen am 27.11.2024.
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