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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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auch wieder mit Recht sagen kann, der liebe Gott
verstehe keinen Spaß!

Das Heiterste und Schönste war mir die
Lehre vom Geiste, als welcher ewig ist und Alles
durchdringt. Er war mächtig im Christenthume,
dessen Beweglichkeit und Feinheit die Welt fort¬
baute, so lange es geistig war; als es aber geist¬
lich wurde, war diese Geistlichkeit die Schlangen¬
haut, welche der alte Geist abwarf. Denn Gott
ist nicht geistlich, sondern ein weltlicher Geist,
weil er die Welt ist und die Welt in ihm; Gott
strahlt von Weltlichkeit.

Alles in Allem genommen, glaube ich doch,
daß ich unter Menschen, welche rein in dem ur¬
sprünglichen geistigen Christenthum lebten, glücklich
sein und auch nicht ganz ohne deren Achtung le¬
ben würde, und wenn ich dies Anna's Vater, dem
Schulmeister, eingestehen mußte, forderte er, das
Wunderbare und die Glaubensfragen einstweilen
freisinnig bei Seite setzend, mich auf, das Chri¬
stenthum wenigstens dieser geistigen Bedeutung
nach anzuerkennen und darauf zu hoffen, daß es
in seiner wahren Reinheit erst noch erscheinen

auch wieder mit Recht ſagen kann, der liebe Gott
verſtehe keinen Spaß!

Das Heiterſte und Schoͤnſte war mir die
Lehre vom Geiſte, als welcher ewig iſt und Alles
durchdringt. Er war maͤchtig im Chriſtenthume,
deſſen Beweglichkeit und Feinheit die Welt fort¬
baute, ſo lange es geiſtig war; als es aber geiſt¬
lich wurde, war dieſe Geiſtlichkeit die Schlangen¬
haut, welche der alte Geiſt abwarf. Denn Gott
iſt nicht geiſtlich, ſondern ein weltlicher Geiſt,
weil er die Welt iſt und die Welt in ihm; Gott
ſtrahlt von Weltlichkeit.

Alles in Allem genommen, glaube ich doch,
daß ich unter Menſchen, welche rein in dem ur¬
ſpruͤnglichen geiſtigen Chriſtenthum lebten, gluͤcklich
ſein und auch nicht ganz ohne deren Achtung le¬
ben wuͤrde, und wenn ich dies Anna's Vater, dem
Schulmeiſter, eingeſtehen mußte, forderte er, das
Wunderbare und die Glaubensfragen einſtweilen
freiſinnig bei Seite ſetzend, mich auf, das Chri¬
ſtenthum wenigſtens dieſer geiſtigen Bedeutung
nach anzuerkennen und darauf zu hoffen, daß es
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[320/0330] auch wieder mit Recht ſagen kann, der liebe Gott verſtehe keinen Spaß! Das Heiterſte und Schoͤnſte war mir die Lehre vom Geiſte, als welcher ewig iſt und Alles durchdringt. Er war maͤchtig im Chriſtenthume, deſſen Beweglichkeit und Feinheit die Welt fort¬ baute, ſo lange es geiſtig war; als es aber geiſt¬ lich wurde, war dieſe Geiſtlichkeit die Schlangen¬ haut, welche der alte Geiſt abwarf. Denn Gott iſt nicht geiſtlich, ſondern ein weltlicher Geiſt, weil er die Welt iſt und die Welt in ihm; Gott ſtrahlt von Weltlichkeit. Alles in Allem genommen, glaube ich doch, daß ich unter Menſchen, welche rein in dem ur¬ ſpruͤnglichen geiſtigen Chriſtenthum lebten, gluͤcklich ſein und auch nicht ganz ohne deren Achtung le¬ ben wuͤrde, und wenn ich dies Anna's Vater, dem Schulmeiſter, eingeſtehen mußte, forderte er, das Wunderbare und die Glaubensfragen einſtweilen freiſinnig bei Seite ſetzend, mich auf, das Chri¬ ſtenthum wenigſtens dieſer geiſtigen Bedeutung nach anzuerkennen und darauf zu hoffen, daß es in ſeiner wahren Reinheit erſt noch erſcheinen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/330>, abgerufen am 17.05.2024.