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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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gen überdies große gläserne Kugeln herab, welche
inwendig mit Herren und Damen in Reifröcken
und Perrücken, auf Papier gemalt, beklebt wa¬
ren; dazwischen ein Kronleuchter, aus Hirsch¬
geweihen zusammengesetzt, und neben der Flügel¬
thür ragte eine in Holz geschnittene und bemalte
Meerfrau aus der Wand, zwischen ihren Händen
eine zierliche Walze haltend, über welche ehemals
ein langes Handtuch gehangen wurde zu allge¬
meinem Gebrauche. Unter dem Dache fand ich
eine kleine Mansarde, deren Wände mit alten
Hirschfängern und Galanteriedegen, sowie mit un¬
brauchbarem Schießgewehr bedeckt waren; eine
überlange spanische Klinge mit herrlich gearbeite¬
tem stählernem Griffe war ein seltenes Prachtstück
und mochte schon seltsame Tage gesehen haben.
Ein paar Folianten lagen bestäubt in der Ecke,
in der Mitte des Zimmers stand ein mit Leder
bezogener zerfetzter Lehnstuhl, so daß nur der
Don Quixotte fehlte, um das Ganze zu einem
Bilde zu machen. Uebrigens setzte ich mich be¬
haglich hinein und dachte an den guten Herrn,
dessen Geschichte ich, unter der Leitung meines

gen uͤberdies große glaͤſerne Kugeln herab, welche
inwendig mit Herren und Damen in Reifroͤcken
und Perruͤcken, auf Papier gemalt, beklebt wa¬
ren; dazwiſchen ein Kronleuchter, aus Hirſch¬
geweihen zuſammengeſetzt, und neben der Fluͤgel¬
thuͤr ragte eine in Holz geſchnittene und bemalte
Meerfrau aus der Wand, zwiſchen ihren Haͤnden
eine zierliche Walze haltend, uͤber welche ehemals
ein langes Handtuch gehangen wurde zu allge¬
meinem Gebrauche. Unter dem Dache fand ich
eine kleine Manſarde, deren Waͤnde mit alten
Hirſchfaͤngern und Galanteriedegen, ſowie mit un¬
brauchbarem Schießgewehr bedeckt waren; eine
uͤberlange ſpaniſche Klinge mit herrlich gearbeite¬
tem ſtaͤhlernem Griffe war ein ſeltenes Prachtſtuͤck
und mochte ſchon ſeltſame Tage geſehen haben.
Ein paar Folianten lagen beſtaͤubt in der Ecke,
in der Mitte des Zimmers ſtand ein mit Leder
bezogener zerfetzter Lehnſtuhl, ſo daß nur der
Don Quixotte fehlte, um das Ganze zu einem
Bilde zu machen. Uebrigens ſetzte ich mich be¬
haglich hinein und dachte an den guten Herrn,
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[21/0031] gen uͤberdies große glaͤſerne Kugeln herab, welche inwendig mit Herren und Damen in Reifroͤcken und Perruͤcken, auf Papier gemalt, beklebt wa¬ ren; dazwiſchen ein Kronleuchter, aus Hirſch¬ geweihen zuſammengeſetzt, und neben der Fluͤgel¬ thuͤr ragte eine in Holz geſchnittene und bemalte Meerfrau aus der Wand, zwiſchen ihren Haͤnden eine zierliche Walze haltend, uͤber welche ehemals ein langes Handtuch gehangen wurde zu allge¬ meinem Gebrauche. Unter dem Dache fand ich eine kleine Manſarde, deren Waͤnde mit alten Hirſchfaͤngern und Galanteriedegen, ſowie mit un¬ brauchbarem Schießgewehr bedeckt waren; eine uͤberlange ſpaniſche Klinge mit herrlich gearbeite¬ tem ſtaͤhlernem Griffe war ein ſeltenes Prachtſtuͤck und mochte ſchon ſeltſame Tage geſehen haben. Ein paar Folianten lagen beſtaͤubt in der Ecke, in der Mitte des Zimmers ſtand ein mit Leder bezogener zerfetzter Lehnſtuhl, ſo daß nur der Don Quixotte fehlte, um das Ganze zu einem Bilde zu machen. Uebrigens ſetzte ich mich be¬ haglich hinein und dachte an den guten Herrn, deſſen Geſchichte ich, unter der Leitung meines

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/31>, abgerufen am 19.04.2024.