schauer und besonders meine Blumen und Vö¬ gel, sowie die Goldspangen und Edelsteine, wo¬ mit ich Anna geschmückt, auch die fromme und sorgfältige Ausarbeitung ihrer Haare und ihrer weißen Halskrause, die schönblauen Augen und die rosenrothen Wangen, der tiefrothe Mund, Alles entsprach dem phantasiereichen Sinne der Leute, welche ihre Augen an den mannigfaltigen Gegen¬ ständen vergnügten. Das Gesicht war fast gar nicht modellirt und ganz licht, und dies gefiel ihnen nur um so mehr, obgleich dieser vermeintliche Vorzug in meinem Nichtkönnen seinen einzigen Grund hatte.
Ich mußte das allerherrlichste Werk eigen¬ händig tragen, als wir fortgingen, und wenn die Sonne sich in dem glänzenden Glase spiegelte, so erwies es sich recht eigentlich, daß kein Fäde¬ lein so fein gesponnen, das nicht endlich an die Sonne käme. Auch machten die Mädchen reich¬ liche Witze, wenn sie sich nach mir umsahen, der den Rahmen sorgfältig in Acht nehmen mußte und daher aussah, als ob ich ein Palla¬ dium im Schweiße meines Angesichts über den
ſchauer und beſonders meine Blumen und Voͤ¬ gel, ſowie die Goldſpangen und Edelſteine, wo¬ mit ich Anna geſchmuͤckt, auch die fromme und ſorgfaͤltige Ausarbeitung ihrer Haare und ihrer weißen Halskrauſe, die ſchoͤnblauen Augen und die roſenrothen Wangen, der tiefrothe Mund, Alles entſprach dem phantaſiereichen Sinne der Leute, welche ihre Augen an den mannigfaltigen Gegen¬ ſtaͤnden vergnuͤgten. Das Geſicht war faſt gar nicht modellirt und ganz licht, und dies gefiel ihnen nur um ſo mehr, obgleich dieſer vermeintliche Vorzug in meinem Nichtkoͤnnen ſeinen einzigen Grund hatte.
Ich mußte das allerherrlichſte Werk eigen¬ haͤndig tragen, als wir fortgingen, und wenn die Sonne ſich in dem glaͤnzenden Glaſe ſpiegelte, ſo erwies es ſich recht eigentlich, daß kein Faͤde¬ lein ſo fein geſponnen, das nicht endlich an die Sonne kaͤme. Auch machten die Maͤdchen reich¬ liche Witze, wenn ſie ſich nach mir umſahen, der den Rahmen ſorgfaͤltig in Acht nehmen mußte und daher ausſah, als ob ich ein Palla¬ dium im Schweiße meines Angeſichts uͤber den
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0293"n="283"/>ſchauer und beſonders meine Blumen und Voͤ¬<lb/>
gel, ſowie die Goldſpangen und Edelſteine, wo¬<lb/>
mit ich Anna geſchmuͤckt, auch die fromme und<lb/>ſorgfaͤltige Ausarbeitung ihrer Haare und ihrer<lb/>
weißen Halskrauſe, die ſchoͤnblauen Augen und<lb/>
die roſenrothen Wangen, der tiefrothe Mund, Alles<lb/>
entſprach dem phantaſiereichen Sinne der Leute,<lb/>
welche ihre Augen an den mannigfaltigen Gegen¬<lb/>ſtaͤnden vergnuͤgten. Das Geſicht war faſt gar nicht<lb/>
modellirt und ganz licht, und dies gefiel ihnen<lb/>
nur um ſo mehr, obgleich dieſer vermeintliche<lb/>
Vorzug in meinem Nichtkoͤnnen ſeinen einzigen<lb/>
Grund hatte.</p><lb/><p>Ich mußte das allerherrlichſte Werk eigen¬<lb/>
haͤndig tragen, als wir fortgingen, und wenn<lb/>
die Sonne ſich in dem glaͤnzenden Glaſe ſpiegelte,<lb/>ſo erwies es ſich recht eigentlich, daß kein Faͤde¬<lb/>
lein ſo fein geſponnen, das nicht endlich an die<lb/>
Sonne kaͤme. Auch machten die Maͤdchen reich¬<lb/>
liche Witze, wenn ſie ſich nach mir umſahen,<lb/>
der den Rahmen ſorgfaͤltig in Acht nehmen<lb/>
mußte und daher ausſah, als ob ich ein Palla¬<lb/>
dium im Schweiße meines Angeſichts uͤber den<lb/></p></div></body></text></TEI>
[283/0293]
ſchauer und beſonders meine Blumen und Voͤ¬
gel, ſowie die Goldſpangen und Edelſteine, wo¬
mit ich Anna geſchmuͤckt, auch die fromme und
ſorgfaͤltige Ausarbeitung ihrer Haare und ihrer
weißen Halskrauſe, die ſchoͤnblauen Augen und
die roſenrothen Wangen, der tiefrothe Mund, Alles
entſprach dem phantaſiereichen Sinne der Leute,
welche ihre Augen an den mannigfaltigen Gegen¬
ſtaͤnden vergnuͤgten. Das Geſicht war faſt gar nicht
modellirt und ganz licht, und dies gefiel ihnen
nur um ſo mehr, obgleich dieſer vermeintliche
Vorzug in meinem Nichtkoͤnnen ſeinen einzigen
Grund hatte.
Ich mußte das allerherrlichſte Werk eigen¬
haͤndig tragen, als wir fortgingen, und wenn
die Sonne ſich in dem glaͤnzenden Glaſe ſpiegelte,
ſo erwies es ſich recht eigentlich, daß kein Faͤde¬
lein ſo fein geſponnen, das nicht endlich an die
Sonne kaͤme. Auch machten die Maͤdchen reich¬
liche Witze, wenn ſie ſich nach mir umſahen,
der den Rahmen ſorgfaͤltig in Acht nehmen
mußte und daher ausſah, als ob ich ein Palla¬
dium im Schweiße meines Angeſichts uͤber den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/293>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.