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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Marder, welcher sich hier einsam amüsirt hatte,
und saß mir im Augenblicke auf dem Kopfe, mir
mit dem Schwanz um die Backen schlagend und
vor Freude tollen Unsinn treibend, daß ich laut
lachen mußte. So gelangte ich mit meiner Ge¬
sellschaft in den helleren, bewohnten Theil des
Hauses und fand endlich die Wohnstube, wo ich
meine Bürde von Blumen, Früchten und Thie¬
ren abwarf. Auf dem Tische stand mit Kreide
geschrieben, wo ich zu essen finden würde, im
Falle ich Lust hätte, nebst allerlei beigefügten
Witzen des jungen Volkes; aber ich zog vor, mir
das Geburtshaus meiner Mutter nun gemächlich
anzusehen.

Mein Oheim hatte schon seit einigen Jahren
seiner geistlichen Pfründe entsagt, um sich ganz
seinen Neigungen hinzugeben. Da der Staat
ohnehin Willens war, der Gemeinde ein neues
Pfarrhaus zu bauen, kaufte der Oheim dazumal
das alte Pfarrhaus von ihm, welches ursprüng¬
lich eigentlich der Landsitz eines Aristokraten ge¬
wesen war und daher steinerne Treppen mit Ei¬
sengeländern, in Gyps gearbeitete Plafonds, einen

Marder, welcher ſich hier einſam amuͤſirt hatte,
und ſaß mir im Augenblicke auf dem Kopfe, mir
mit dem Schwanz um die Backen ſchlagend und
vor Freude tollen Unſinn treibend, daß ich laut
lachen mußte. So gelangte ich mit meiner Ge¬
ſellſchaft in den helleren, bewohnten Theil des
Hauſes und fand endlich die Wohnſtube, wo ich
meine Buͤrde von Blumen, Fruͤchten und Thie¬
ren abwarf. Auf dem Tiſche ſtand mit Kreide
geſchrieben, wo ich zu eſſen finden wuͤrde, im
Falle ich Luſt haͤtte, nebſt allerlei beigefuͤgten
Witzen des jungen Volkes; aber ich zog vor, mir
das Geburtshaus meiner Mutter nun gemaͤchlich
anzuſehen.

Mein Oheim hatte ſchon ſeit einigen Jahren
ſeiner geiſtlichen Pfruͤnde entſagt, um ſich ganz
ſeinen Neigungen hinzugeben. Da der Staat
ohnehin Willens war, der Gemeinde ein neues
Pfarrhaus zu bauen, kaufte der Oheim dazumal
das alte Pfarrhaus von ihm, welches urſpruͤng¬
lich eigentlich der Landſitz eines Ariſtokraten ge¬
weſen war und daher ſteinerne Treppen mit Ei¬
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[19/0029] Marder, welcher ſich hier einſam amuͤſirt hatte, und ſaß mir im Augenblicke auf dem Kopfe, mir mit dem Schwanz um die Backen ſchlagend und vor Freude tollen Unſinn treibend, daß ich laut lachen mußte. So gelangte ich mit meiner Ge¬ ſellſchaft in den helleren, bewohnten Theil des Hauſes und fand endlich die Wohnſtube, wo ich meine Buͤrde von Blumen, Fruͤchten und Thie¬ ren abwarf. Auf dem Tiſche ſtand mit Kreide geſchrieben, wo ich zu eſſen finden wuͤrde, im Falle ich Luſt haͤtte, nebſt allerlei beigefuͤgten Witzen des jungen Volkes; aber ich zog vor, mir das Geburtshaus meiner Mutter nun gemaͤchlich anzuſehen. Mein Oheim hatte ſchon ſeit einigen Jahren ſeiner geiſtlichen Pfruͤnde entſagt, um ſich ganz ſeinen Neigungen hinzugeben. Da der Staat ohnehin Willens war, der Gemeinde ein neues Pfarrhaus zu bauen, kaufte der Oheim dazumal das alte Pfarrhaus von ihm, welches urſpruͤng¬ lich eigentlich der Landſitz eines Ariſtokraten ge¬ weſen war und daher ſteinerne Treppen mit Ei¬ ſengelaͤndern, in Gyps gearbeitete Plafonds, einen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/29>, abgerufen am 28.03.2024.