und zu welchem Zweck harmlose Mädchen ohne ihr Wissen abconterfeit werden?
Anna hatte einen flüchtigen Blick auf das bunte Pergament geworfen und saß ebenso ver¬ legen und unruhig da, als ich beschämt und trotzig war. Ich erklärte, daß das Blatt mein Eigen¬ thum und ich keiner sterblichen Seele eine Ver¬ antwortung darüber schuldig wäre, gleichviel ob es an's Tageslicht getreten oder noch im Ver¬ borgenen liege, wo ich künftig meine Sachen zu lassen bitte. Damit wollte ich meine Zeichnung ergreifen; allein die Mädchen deckten sie schleunig mit Leinwand zu und thürmten die ganze Aus¬ steuer darauf. Es könne ihnen nicht gleichgültig sein, sagten sie, ob ihre Bildnisse heimlich und zu unbekanntem Zwecke angefertigt würden. Ich müßte also bestimmt erklären, für wen ich be¬ sagtes Werk angefertigt habe oder was ich damit zu machen gedenke: denn daß ich es für mich behalten wolle, sei nach meinem bisherigen Ver¬ halten nicht wohl anzunehmen, auch wäre dies nicht zu gestatten. Die Sache ist sehr einfach, erwiederte ich endlich, ich habe dem Schulmeister,
und zu welchem Zweck harmloſe Maͤdchen ohne ihr Wiſſen abconterfeit werden?
Anna hatte einen fluͤchtigen Blick auf das bunte Pergament geworfen und ſaß ebenſo ver¬ legen und unruhig da, als ich beſchaͤmt und trotzig war. Ich erklaͤrte, daß das Blatt mein Eigen¬ thum und ich keiner ſterblichen Seele eine Ver¬ antwortung daruͤber ſchuldig waͤre, gleichviel ob es an's Tageslicht getreten oder noch im Ver¬ borgenen liege, wo ich kuͤnftig meine Sachen zu laſſen bitte. Damit wollte ich meine Zeichnung ergreifen; allein die Maͤdchen deckten ſie ſchleunig mit Leinwand zu und thuͤrmten die ganze Aus¬ ſteuer darauf. Es koͤnne ihnen nicht gleichguͤltig ſein, ſagten ſie, ob ihre Bildniſſe heimlich und zu unbekanntem Zwecke angefertigt wuͤrden. Ich muͤßte alſo beſtimmt erklaͤren, fuͤr wen ich be¬ ſagtes Werk angefertigt habe oder was ich damit zu machen gedenke: denn daß ich es fuͤr mich behalten wolle, ſei nach meinem bisherigen Ver¬ halten nicht wohl anzunehmen, auch waͤre dies nicht zu geſtatten. Die Sache iſt ſehr einfach, erwiederte ich endlich, ich habe dem Schulmeiſter,
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und zu welchem Zweck harmloſe Maͤdchen ohne
ihr Wiſſen abconterfeit werden?
Anna hatte einen fluͤchtigen Blick auf das
bunte Pergament geworfen und ſaß ebenſo ver¬
legen und unruhig da, als ich beſchaͤmt und trotzig
war. Ich erklaͤrte, daß das Blatt mein Eigen¬
thum und ich keiner ſterblichen Seele eine Ver¬
antwortung daruͤber ſchuldig waͤre, gleichviel ob
es an's Tageslicht getreten oder noch im Ver¬
borgenen liege, wo ich kuͤnftig meine Sachen zu
laſſen bitte. Damit wollte ich meine Zeichnung
ergreifen; allein die Maͤdchen deckten ſie ſchleunig
mit Leinwand zu und thuͤrmten die ganze Aus¬
ſteuer darauf. Es koͤnne ihnen nicht gleichguͤltig
ſein, ſagten ſie, ob ihre Bildniſſe heimlich und
zu unbekanntem Zwecke angefertigt wuͤrden. Ich
muͤßte alſo beſtimmt erklaͤren, fuͤr wen ich be¬
ſagtes Werk angefertigt habe oder was ich damit
zu machen gedenke: denn daß ich es fuͤr mich
behalten wolle, ſei nach meinem bisherigen Ver¬
halten nicht wohl anzunehmen, auch waͤre dies
nicht zu geſtatten. Die Sache iſt ſehr einfach,
erwiederte ich endlich, ich habe dem Schulmeiſter,
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/284>, abgerufen am 23.11.2024.
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