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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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dings ein artiger Sparren im Kopfe sein! In¬
dessen mag es manchen Heiligen geben, dessen
christliche Ideen einem Schinkenknochen gleichen."
Hierauf antwortete Niemand etwas außer meinem
Oheim, welcher mich ernstlich ersucht haben wollte,
dergleichen Mittheilungen zu unterlassen. Das
Rothwerden war nun an mir und ich sagte nichts
mehr während der übrigen Zeit, die man am
Tische zubrachte. Ich zog mich zurück in bitterem
Unmuthe und gedachte mich nicht mehr sehen zu
lassen, bis meine Bäschen mich aufsuchten und
mich aufforderten, mit ihnen und ihren Brüdern
Anna nach Hause zu begleiten und den Schul¬
meister zu besuchen. Da ich durch den seltenen
Verweis des Vaters in eine beschämende Lage
gerathen, so fanden sie es angemessen, mich durch
diese Freundlichkeit daraus zu ziehen; denn sie
wußten wohl, daß ich sonst nach der Etikette je¬
nes Alters nicht mitkommen konnte, wo das
Schmollen eine Ehrensache und an bestimmte
Gesetze gebunden ist.

Wir zogen also aus und gingen dem Flüßchen
nach durch den Wald. Ich blieb still, und als

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dings ein artiger Sparren im Kopfe ſein! In¬
deſſen mag es manchen Heiligen geben, deſſen
chriſtliche Ideen einem Schinkenknochen gleichen.«
Hierauf antwortete Niemand etwas außer meinem
Oheim, welcher mich ernſtlich erſucht haben wollte,
dergleichen Mittheilungen zu unterlaſſen. Das
Rothwerden war nun an mir und ich ſagte nichts
mehr waͤhrend der uͤbrigen Zeit, die man am
Tiſche zubrachte. Ich zog mich zuruͤck in bitterem
Unmuthe und gedachte mich nicht mehr ſehen zu
laſſen, bis meine Baͤschen mich aufſuchten und
mich aufforderten, mit ihnen und ihren Bruͤdern
Anna nach Hauſe zu begleiten und den Schul¬
meiſter zu beſuchen. Da ich durch den ſeltenen
Verweis des Vaters in eine beſchaͤmende Lage
gerathen, ſo fanden ſie es angemeſſen, mich durch
dieſe Freundlichkeit daraus zu ziehen; denn ſie
wußten wohl, daß ich ſonſt nach der Etikette je¬
nes Alters nicht mitkommen konnte, wo das
Schmollen eine Ehrenſache und an beſtimmte
Geſetze gebunden iſt.

Wir zogen alſo aus und gingen dem Fluͤßchen
nach durch den Wald. Ich blieb ſtill, und als

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[243/0253] dings ein artiger Sparren im Kopfe ſein! In¬ deſſen mag es manchen Heiligen geben, deſſen chriſtliche Ideen einem Schinkenknochen gleichen.« Hierauf antwortete Niemand etwas außer meinem Oheim, welcher mich ernſtlich erſucht haben wollte, dergleichen Mittheilungen zu unterlaſſen. Das Rothwerden war nun an mir und ich ſagte nichts mehr waͤhrend der uͤbrigen Zeit, die man am Tiſche zubrachte. Ich zog mich zuruͤck in bitterem Unmuthe und gedachte mich nicht mehr ſehen zu laſſen, bis meine Baͤschen mich aufſuchten und mich aufforderten, mit ihnen und ihren Bruͤdern Anna nach Hauſe zu begleiten und den Schul¬ meiſter zu beſuchen. Da ich durch den ſeltenen Verweis des Vaters in eine beſchaͤmende Lage gerathen, ſo fanden ſie es angemeſſen, mich durch dieſe Freundlichkeit daraus zu ziehen; denn ſie wußten wohl, daß ich ſonſt nach der Etikette je¬ nes Alters nicht mitkommen konnte, wo das Schmollen eine Ehrenſache und an beſtimmte Geſetze gebunden iſt. Wir zogen alſo aus und gingen dem Fluͤßchen nach durch den Wald. Ich blieb ſtill, und als 16 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/253>, abgerufen am 23.11.2024.