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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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lichkeit der oberen Feinschmecker dadurch rächten,
daß sie eine scharfe Kritik über deren Geschicklich¬
keit im Essen ausübten. Wer nicht rasch und
reinlich einen Fisch zu verzehren oder die Knöchel¬
chen eines Vogels zu zerlegen wußte, hatte für
den Spott nicht zu sorgen. Da ich bei der Mut¬
ter an die einfachste Lebensweise gewöhnt war,
so war meine Gewandtheit in Fisch- und Vogel¬
essen nur gering und ich sah mich daher am mei¬
sten den Witzen der Tischgenossen ausgesetzt. So
hielt mir auch heute ein Knecht einen Schinken
her und bat mich, ihm diesen Taubenflügel zu
zerlegen, da ich so geschickt hierin sei; ein Anderer
hielt mich für vortrefflich geeignet, den Rückgrat
einer Bratwurst zu benagen. Dazu sollte ich als
angeblicher Galan meine Schöne bedienen, was
mir durchaus unbequem war; denn außer daß es
mir lächerlich vorkam, ihr ein Gericht vorzuhal¬
ten, das ihr vor der Nase stand, und ich ihr
lieber mit dem Herzen, als mit den Händen
dienen wollte, wo es nicht nöthig war, reichte
meine Kenntniß hiefür nicht aus, indem ich manch¬
mal den Schwanz eines Fisches präsentirte, wo

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lichkeit der oberen Feinſchmecker dadurch raͤchten,
daß ſie eine ſcharfe Kritik uͤber deren Geſchicklich¬
keit im Eſſen ausuͤbten. Wer nicht raſch und
reinlich einen Fiſch zu verzehren oder die Knoͤchel¬
chen eines Vogels zu zerlegen wußte, hatte fuͤr
den Spott nicht zu ſorgen. Da ich bei der Mut¬
ter an die einfachſte Lebensweiſe gewoͤhnt war,
ſo war meine Gewandtheit in Fiſch- und Vogel¬
eſſen nur gering und ich ſah mich daher am mei¬
ſten den Witzen der Tiſchgenoſſen ausgeſetzt. So
hielt mir auch heute ein Knecht einen Schinken
her und bat mich, ihm dieſen Taubenfluͤgel zu
zerlegen, da ich ſo geſchickt hierin ſei; ein Anderer
hielt mich fuͤr vortrefflich geeignet, den Ruͤckgrat
einer Bratwurſt zu benagen. Dazu ſollte ich als
angeblicher Galan meine Schoͤne bedienen, was
mir durchaus unbequem war; denn außer daß es
mir laͤcherlich vorkam, ihr ein Gericht vorzuhal¬
ten, das ihr vor der Naſe ſtand, und ich ihr
lieber mit dem Herzen, als mit den Haͤnden
dienen wollte, wo es nicht noͤthig war, reichte
meine Kenntniß hiefuͤr nicht aus, indem ich manch¬
mal den Schwanz eines Fiſches praͤſentirte, wo

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[241/0251] lichkeit der oberen Feinſchmecker dadurch raͤchten, daß ſie eine ſcharfe Kritik uͤber deren Geſchicklich¬ keit im Eſſen ausuͤbten. Wer nicht raſch und reinlich einen Fiſch zu verzehren oder die Knoͤchel¬ chen eines Vogels zu zerlegen wußte, hatte fuͤr den Spott nicht zu ſorgen. Da ich bei der Mut¬ ter an die einfachſte Lebensweiſe gewoͤhnt war, ſo war meine Gewandtheit in Fiſch- und Vogel¬ eſſen nur gering und ich ſah mich daher am mei¬ ſten den Witzen der Tiſchgenoſſen ausgeſetzt. So hielt mir auch heute ein Knecht einen Schinken her und bat mich, ihm dieſen Taubenfluͤgel zu zerlegen, da ich ſo geſchickt hierin ſei; ein Anderer hielt mich fuͤr vortrefflich geeignet, den Ruͤckgrat einer Bratwurſt zu benagen. Dazu ſollte ich als angeblicher Galan meine Schoͤne bedienen, was mir durchaus unbequem war; denn außer daß es mir laͤcherlich vorkam, ihr ein Gericht vorzuhal¬ ten, das ihr vor der Naſe ſtand, und ich ihr lieber mit dem Herzen, als mit den Haͤnden dienen wollte, wo es nicht noͤthig war, reichte meine Kenntniß hiefuͤr nicht aus, indem ich manch¬ mal den Schwanz eines Fiſches praͤſentirte, wo II. 16

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/251>, abgerufen am 23.11.2024.