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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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dem Hause, wie auf einem Jahrmarkte, daß an
kein Durchkommen zu denken war. Unschlüssig
und ängstlich blieb ich stehen, doch ein empfind¬
licher Stich auf die Wange bedeutete mir, daß
meine Liebeserklärung für einmal der bewaffneten
Obhut dieses Bienenstaates anheimgegeben sei.
Für einige Monate lag sie allerdings sicher hinter
dem Korbe; wenn aber der Honig ausgenommen
wurde, so kam sicher auch mein Blatt zu Tage,
und was dann? Indessen betrachtete ich diesen
Vorfall als eine höhere Fügung und war halb
und halb froh, meine Erklärung aus dem Be¬
reiche meines Willens einer allfälligen Entdeckung
ausgesetzt zu wissen, gleich einem verlornen Sa¬
menkorn des Aufblühens harrend. Meine gesto¬
chene Wange reibend verließ ich endlich die Bie¬
nen, nicht ohne genau nachzusehen, ob nirgends
ein Zipfelchen des weißen Blattes hervorgucke.
Der Gesang in der Kirche ertönte wieder, die
Glocken läuteten und die Gesellschaft kam in ein¬
zelnen Gruppen zerstreut nach Hause. Ich stand
wieder oben am Fenster und sah Anna's Gestalt
durch das Grüne allmälig herannahen. Ihren

dem Hauſe, wie auf einem Jahrmarkte, daß an
kein Durchkommen zu denken war. Unſchluͤſſig
und aͤngſtlich blieb ich ſtehen, doch ein empfind¬
licher Stich auf die Wange bedeutete mir, daß
meine Liebeserklaͤrung fuͤr einmal der bewaffneten
Obhut dieſes Bienenſtaates anheimgegeben ſei.
Fuͤr einige Monate lag ſie allerdings ſicher hinter
dem Korbe; wenn aber der Honig ausgenommen
wurde, ſo kam ſicher auch mein Blatt zu Tage,
und was dann? Indeſſen betrachtete ich dieſen
Vorfall als eine hoͤhere Fuͤgung und war halb
und halb froh, meine Erklaͤrung aus dem Be¬
reiche meines Willens einer allfaͤlligen Entdeckung
ausgeſetzt zu wiſſen, gleich einem verlornen Sa¬
menkorn des Aufbluͤhens harrend. Meine geſto¬
chene Wange reibend verließ ich endlich die Bie¬
nen, nicht ohne genau nachzuſehen, ob nirgends
ein Zipfelchen des weißen Blattes hervorgucke.
Der Geſang in der Kirche ertoͤnte wieder, die
Glocken laͤuteten und die Geſellſchaft kam in ein¬
zelnen Gruppen zerſtreut nach Hauſe. Ich ſtand
wieder oben am Fenſter und ſah Anna's Geſtalt
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[238/0248] dem Hauſe, wie auf einem Jahrmarkte, daß an kein Durchkommen zu denken war. Unſchluͤſſig und aͤngſtlich blieb ich ſtehen, doch ein empfind¬ licher Stich auf die Wange bedeutete mir, daß meine Liebeserklaͤrung fuͤr einmal der bewaffneten Obhut dieſes Bienenſtaates anheimgegeben ſei. Fuͤr einige Monate lag ſie allerdings ſicher hinter dem Korbe; wenn aber der Honig ausgenommen wurde, ſo kam ſicher auch mein Blatt zu Tage, und was dann? Indeſſen betrachtete ich dieſen Vorfall als eine hoͤhere Fuͤgung und war halb und halb froh, meine Erklaͤrung aus dem Be¬ reiche meines Willens einer allfaͤlligen Entdeckung ausgeſetzt zu wiſſen, gleich einem verlornen Sa¬ menkorn des Aufbluͤhens harrend. Meine geſto¬ chene Wange reibend verließ ich endlich die Bie¬ nen, nicht ohne genau nachzuſehen, ob nirgends ein Zipfelchen des weißen Blattes hervorgucke. Der Geſang in der Kirche ertoͤnte wieder, die Glocken laͤuteten und die Geſellſchaft kam in ein¬ zelnen Gruppen zerſtreut nach Hauſe. Ich ſtand wieder oben am Fenſter und ſah Anna's Geſtalt durch das Gruͤne allmaͤlig herannahen. Ihren

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/248>, abgerufen am 24.11.2024.