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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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mit Wichtigkeit sprach: nein, ich hätte nicht Zeit,
ich müßte schreiben!

Diesmal ging das ganze Haus zur Kirche,
wohl Anna zu Ehren, und nur ich allein blieb
zurück. Durch das Fenster sah ich dem ansehn¬
lichen Zuge nach, welcher sich durch die Wiesen
unter den Bäumen hin bewegte und dann auf
der Höhe des Kirchhofes zum Vorschein kam,
um endlich in der Kirchenthür zu verschwinden.
Diese wurde bald darauf geschlossen, das Geläute
schwieg, der Gesang begann und hallte deutlich
und schön herüber. Auch dieser schwieg und nun
verbreitete sich ein Meer von Stille über das
Dorf, welches einzig dann und wann durch einen
kräftigeren Ruf des Predigers unterbrochen wurde.
Das Laub und die Millionen Gräser waren
mäuschenstill, trieben aber nichts desto minder mit
Hin- und Herwackeln allerlei lautlosen Unfug,
wie muthwillige Kinder während einer feierlichen
Verhandlung. Die abgebrochenen Töne der Pre¬
digt, welche durch einen offenen Fensterflügel sich
in die Gegend verloren, klangen seltsam und
manchmal wie hollaho! manchmal wie juchhe oder

mit Wichtigkeit ſprach: nein, ich haͤtte nicht Zeit,
ich muͤßte ſchreiben!

Diesmal ging das ganze Haus zur Kirche,
wohl Anna zu Ehren, und nur ich allein blieb
zuruͤck. Durch das Fenſter ſah ich dem anſehn¬
lichen Zuge nach, welcher ſich durch die Wieſen
unter den Baͤumen hin bewegte und dann auf
der Hoͤhe des Kirchhofes zum Vorſchein kam,
um endlich in der Kirchenthuͤr zu verſchwinden.
Dieſe wurde bald darauf geſchloſſen, das Gelaͤute
ſchwieg, der Geſang begann und hallte deutlich
und ſchoͤn heruͤber. Auch dieſer ſchwieg und nun
verbreitete ſich ein Meer von Stille uͤber das
Dorf, welches einzig dann und wann durch einen
kraͤftigeren Ruf des Predigers unterbrochen wurde.
Das Laub und die Millionen Graͤſer waren
maͤuschenſtill, trieben aber nichts deſto minder mit
Hin- und Herwackeln allerlei lautloſen Unfug,
wie muthwillige Kinder waͤhrend einer feierlichen
Verhandlung. Die abgebrochenen Toͤne der Pre¬
digt, welche durch einen offenen Fenſterfluͤgel ſich
in die Gegend verloren, klangen ſeltſam und
manchmal wie hollaho! manchmal wie juchhe oder

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[235/0245] mit Wichtigkeit ſprach: nein, ich haͤtte nicht Zeit, ich muͤßte ſchreiben! Diesmal ging das ganze Haus zur Kirche, wohl Anna zu Ehren, und nur ich allein blieb zuruͤck. Durch das Fenſter ſah ich dem anſehn¬ lichen Zuge nach, welcher ſich durch die Wieſen unter den Baͤumen hin bewegte und dann auf der Hoͤhe des Kirchhofes zum Vorſchein kam, um endlich in der Kirchenthuͤr zu verſchwinden. Dieſe wurde bald darauf geſchloſſen, das Gelaͤute ſchwieg, der Geſang begann und hallte deutlich und ſchoͤn heruͤber. Auch dieſer ſchwieg und nun verbreitete ſich ein Meer von Stille uͤber das Dorf, welches einzig dann und wann durch einen kraͤftigeren Ruf des Predigers unterbrochen wurde. Das Laub und die Millionen Graͤſer waren maͤuschenſtill, trieben aber nichts deſto minder mit Hin- und Herwackeln allerlei lautloſen Unfug, wie muthwillige Kinder waͤhrend einer feierlichen Verhandlung. Die abgebrochenen Toͤne der Pre¬ digt, welche durch einen offenen Fenſterfluͤgel ſich in die Gegend verloren, klangen ſeltſam und manchmal wie hollaho! manchmal wie juchhe oder

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/245>, abgerufen am 27.11.2024.