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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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dem persönlichen Charakter abhing, wie andere
Dinge mehr im Leben: so war doch das Be¬
kanntwerden des einzelnen Falles verpönt und
vielmehr das Gesetz beliebt: du sollst dich nicht
erwischen lassen! wie bei anderen Dingen mehr,
und ich entschloß mich, gelegentlich und mit guter
Manier die eine und andere meiner Basen in
meine Mitwissenschaft blicken zu lassen und durch
ein vertrautes Verhältniß meine Ungeschicklichkeit
aufzuwiegen, zumal ich nun schon merkte, daß
ich dem gewohnten Krieg und Verkehr nicht ge¬
wachsen war. Ich dachte mir nun nicht anders,
als die Liebe wäre das Geheimniß eines gemein¬
schaftlichen Ordens, in welchem voraus alle
Frauen und Mädchen inbegriffen, der aber jedem
Neuling, welcher sich ungeschickt anstelle, den
Eintritt erschwere, und doch glaubte ich seiner
schon vollkommen würdig und fähig zu sein.

Indessen beschloß ich, als es darauf ankam,
in die große Wohnstube zu gehen und mein
nächstes Benehmen zu bedenken, welches mir
keineswegs klar war, vorderhand gänzliche Ver¬
schwiegenheit zu üben, und dieser Entschluß kam

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dem perſoͤnlichen Charakter abhing, wie andere
Dinge mehr im Leben: ſo war doch das Be¬
kanntwerden des einzelnen Falles verpoͤnt und
vielmehr das Geſetz beliebt: du ſollſt dich nicht
erwiſchen laſſen! wie bei anderen Dingen mehr,
und ich entſchloß mich, gelegentlich und mit guter
Manier die eine und andere meiner Baſen in
meine Mitwiſſenſchaft blicken zu laſſen und durch
ein vertrautes Verhaͤltniß meine Ungeſchicklichkeit
aufzuwiegen, zumal ich nun ſchon merkte, daß
ich dem gewohnten Krieg und Verkehr nicht ge¬
wachſen war. Ich dachte mir nun nicht anders,
als die Liebe waͤre das Geheimniß eines gemein¬
ſchaftlichen Ordens, in welchem voraus alle
Frauen und Maͤdchen inbegriffen, der aber jedem
Neuling, welcher ſich ungeſchickt anſtelle, den
Eintritt erſchwere, und doch glaubte ich ſeiner
ſchon vollkommen wuͤrdig und faͤhig zu ſein.

Indeſſen beſchloß ich, als es darauf ankam,
in die große Wohnſtube zu gehen und mein
naͤchſtes Benehmen zu bedenken, welches mir
keineswegs klar war, vorderhand gaͤnzliche Ver¬
ſchwiegenheit zu uͤben, und dieſer Entſchluß kam

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[227/0237] dem perſoͤnlichen Charakter abhing, wie andere Dinge mehr im Leben: ſo war doch das Be¬ kanntwerden des einzelnen Falles verpoͤnt und vielmehr das Geſetz beliebt: du ſollſt dich nicht erwiſchen laſſen! wie bei anderen Dingen mehr, und ich entſchloß mich, gelegentlich und mit guter Manier die eine und andere meiner Baſen in meine Mitwiſſenſchaft blicken zu laſſen und durch ein vertrautes Verhaͤltniß meine Ungeſchicklichkeit aufzuwiegen, zumal ich nun ſchon merkte, daß ich dem gewohnten Krieg und Verkehr nicht ge¬ wachſen war. Ich dachte mir nun nicht anders, als die Liebe waͤre das Geheimniß eines gemein¬ ſchaftlichen Ordens, in welchem voraus alle Frauen und Maͤdchen inbegriffen, der aber jedem Neuling, welcher ſich ungeſchickt anſtelle, den Eintritt erſchwere, und doch glaubte ich ſeiner ſchon vollkommen wuͤrdig und faͤhig zu ſein. Indeſſen beſchloß ich, als es darauf ankam, in die große Wohnſtube zu gehen und mein naͤchſtes Benehmen zu bedenken, welches mir keineswegs klar war, vorderhand gaͤnzliche Ver¬ ſchwiegenheit zu uͤben, und dieſer Entſchluß kam 15 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/237>, abgerufen am 24.11.2024.