und ausgeprägter der Stoff der neckischen Ge¬ spräche geworden, aber so, daß die Jünglinge mit gleichgültig verwegener und etwas spöttischer Galanterie den Schein tieferer Empfindung zu verhüllen, die Mädchen eine große Sprödigkeit, Männerverachtung und jungfräuliche Selbstzu¬ friedenheit an den Tag zu legen bemüht schienen, und an der Art und Weise, wie die sich kreuzen¬ den Scherze und Angriffe hier reizten, dort schein¬ bar verletzten, war nicht zu verkennen, daß hier die Krystallelemente zusammenzuschießen auf dem Punkte waren.
Ich war Anfangs still und suchte mich in den wort- und witzreichen Scharmützeln zurechtzufin¬ den; die Mädchen betrachteten mich als einen anspruchslosen Neutralen und schienen einen from¬ men und bescheidenen Knappen an mir gewinnen zu wollen. Doch unversehens nahm ich, das Scheingefecht für vollen Ernst haltend, die Partei meines Geschlechts. Die vermeintliche Bedürfni߬ losigkeit und stolze Selbstverklärung der Schönen schien mir gefährlich und beleidigend und ent¬ sprach nicht im Mindesten meinen Gefühlen.
und ausgepraͤgter der Stoff der neckiſchen Ge¬ ſpraͤche geworden, aber ſo, daß die Juͤnglinge mit gleichguͤltig verwegener und etwas ſpoͤttiſcher Galanterie den Schein tieferer Empfindung zu verhuͤllen, die Maͤdchen eine große Sproͤdigkeit, Maͤnnerverachtung und jungfraͤuliche Selbſtzu¬ friedenheit an den Tag zu legen bemuͤht ſchienen, und an der Art und Weiſe, wie die ſich kreuzen¬ den Scherze und Angriffe hier reizten, dort ſchein¬ bar verletzten, war nicht zu verkennen, daß hier die Kryſtallelemente zuſammenzuſchießen auf dem Punkte waren.
Ich war Anfangs ſtill und ſuchte mich in den wort- und witzreichen Scharmuͤtzeln zurechtzufin¬ den; die Maͤdchen betrachteten mich als einen anſpruchsloſen Neutralen und ſchienen einen from¬ men und beſcheidenen Knappen an mir gewinnen zu wollen. Doch unverſehens nahm ich, das Scheingefecht fuͤr vollen Ernſt haltend, die Partei meines Geſchlechts. Die vermeintliche Beduͤrfni߬ loſigkeit und ſtolze Selbſtverklaͤrung der Schoͤnen ſchien mir gefaͤhrlich und beleidigend und ent¬ ſprach nicht im Mindeſten meinen Gefuͤhlen.
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und ausgepraͤgter der Stoff der neckiſchen Ge¬
ſpraͤche geworden, aber ſo, daß die Juͤnglinge
mit gleichguͤltig verwegener und etwas ſpoͤttiſcher
Galanterie den Schein tieferer Empfindung zu
verhuͤllen, die Maͤdchen eine große Sproͤdigkeit,
Maͤnnerverachtung und jungfraͤuliche Selbſtzu¬
friedenheit an den Tag zu legen bemuͤht ſchienen,
und an der Art und Weiſe, wie die ſich kreuzen¬
den Scherze und Angriffe hier reizten, dort ſchein¬
bar verletzten, war nicht zu verkennen, daß hier
die Kryſtallelemente zuſammenzuſchießen auf dem
Punkte waren.
Ich war Anfangs ſtill und ſuchte mich in den
wort- und witzreichen Scharmuͤtzeln zurechtzufin¬
den; die Maͤdchen betrachteten mich als einen
anſpruchsloſen Neutralen und ſchienen einen from¬
men und beſcheidenen Knappen an mir gewinnen
zu wollen. Doch unverſehens nahm ich, das
Scheingefecht fuͤr vollen Ernſt haltend, die Partei
meines Geſchlechts. Die vermeintliche Beduͤrfni߬
loſigkeit und ſtolze Selbſtverklaͤrung der Schoͤnen
ſchien mir gefaͤhrlich und beleidigend und ent¬
ſprach nicht im Mindeſten meinen Gefuͤhlen.
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/230>, abgerufen am 24.11.2024.
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