eiligen Weiterfließen, seine Durchsichtigkeit und tausendfältige Widerspiegelung ergötzte mich, aber ich bannte es in die plumpen und renommistischen Formeln meiner lächerlichen Virtuosität, daß Leben und Glanz verloren gingen, indessen nicht meine Mittel, ja nicht einmal die Materialien hinreich¬ ten, das bewegliche Wesen wiederzugeben. Leich¬ ter hätte ich die mannigfaltigen und schönen Steine und Felstrümmer der Bäche, in reicher Unordnung über einander geworfen, beherrschen können, wenn nicht mein künstlerisches Gewissen verdunkelt gewesen wäre. Wohl regte sich dieses oft mahnend, wenn ich perspektivische Feinheiten und Verkürzungen der Steine, trotzdem daß ich sie sah und fühlte, überging und verhudelte, statt den bedeutenden Linien nachzugehen, mit der Selbstentschuldigung, daß es auf diese oder jene Fläche nicht ankomme und die zufällige Natur ja wohl auch so aussehen könnte, wie ich sie nachbildete: allein die ganze Weise meines Arbei¬ tens ließ solche Gewissensbisse nicht zur Geltung kommen, und der Meister, wenn ich ihm meine Machwerke vorzeigte, war nicht darauf einge¬
eiligen Weiterfließen, ſeine Durchſichtigkeit und tauſendfaͤltige Widerſpiegelung ergoͤtzte mich, aber ich bannte es in die plumpen und renommiſtiſchen Formeln meiner laͤcherlichen Virtuoſitaͤt, daß Leben und Glanz verloren gingen, indeſſen nicht meine Mittel, ja nicht einmal die Materialien hinreich¬ ten, das bewegliche Weſen wiederzugeben. Leich¬ ter haͤtte ich die mannigfaltigen und ſchoͤnen Steine und Felstruͤmmer der Baͤche, in reicher Unordnung uͤber einander geworfen, beherrſchen koͤnnen, wenn nicht mein kuͤnſtleriſches Gewiſſen verdunkelt geweſen waͤre. Wohl regte ſich dieſes oft mahnend, wenn ich perſpektiviſche Feinheiten und Verkuͤrzungen der Steine, trotzdem daß ich ſie ſah und fuͤhlte, uͤberging und verhudelte, ſtatt den bedeutenden Linien nachzugehen, mit der Selbſtentſchuldigung, daß es auf dieſe oder jene Flaͤche nicht ankomme und die zufaͤllige Natur ja wohl auch ſo ausſehen koͤnnte, wie ich ſie nachbildete: allein die ganze Weiſe meines Arbei¬ tens ließ ſolche Gewiſſensbiſſe nicht zur Geltung kommen, und der Meiſter, wenn ich ihm meine Machwerke vorzeigte, war nicht darauf einge¬
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eiligen Weiterfließen, ſeine Durchſichtigkeit und
tauſendfaͤltige Widerſpiegelung ergoͤtzte mich, aber
ich bannte es in die plumpen und renommiſtiſchen
Formeln meiner laͤcherlichen Virtuoſitaͤt, daß Leben
und Glanz verloren gingen, indeſſen nicht meine
Mittel, ja nicht einmal die Materialien hinreich¬
ten, das bewegliche Weſen wiederzugeben. Leich¬
ter haͤtte ich die mannigfaltigen und ſchoͤnen
Steine und Felstruͤmmer der Baͤche, in reicher
Unordnung uͤber einander geworfen, beherrſchen
koͤnnen, wenn nicht mein kuͤnſtleriſches Gewiſſen
verdunkelt geweſen waͤre. Wohl regte ſich dieſes
oft mahnend, wenn ich perſpektiviſche Feinheiten
und Verkuͤrzungen der Steine, trotzdem daß ich
ſie ſah und fuͤhlte, uͤberging und verhudelte, ſtatt
den bedeutenden Linien nachzugehen, mit der
Selbſtentſchuldigung, daß es auf dieſe oder jene
Flaͤche nicht ankomme und die zufaͤllige Natur
ja wohl auch ſo ausſehen koͤnnte, wie ich ſie
nachbildete: allein die ganze Weiſe meines Arbei¬
tens ließ ſolche Gewiſſensbiſſe nicht zur Geltung
kommen, und der Meiſter, wenn ich ihm meine
Machwerke vorzeigte, war nicht darauf einge¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/190>, abgerufen am 25.11.2024.
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