heit tauchen ließ; vor Allem aber die Natur¬ schilderung an der Hand der entfesselten Phan¬ tasie, welche berauscht über die blühende Erde schweifte und mit den Sternen spielte, wie ein Kind mit Blumen, je toller, desto besser! Diese Herrlichkeit machte mich stutzen, dies schien mir das Wahre und Rechte! Und inmitten der Abendröthen und Regenbogen, der Lilienwälder und Sternensaaten, der rauschenden und plät¬ schernden Gewitter, die der aufgehenden Sonne das Kinderantlitz wuschen, daß es einen Augen¬ blick sich weinend verzog und verdunkelte, um dann um so reiner und vergnügter zu strahlen, inmitten all' des Feuerwerkes der Höhe und Tiefe, in diesen saumlosen schillernden Weltmantel ge¬ hüllt der Unendliche, groß, aber voll Liebe, heilig, aber ein Gott des Lächelns und des Scherzes, furchtbar von Gewalt, doch sich schmiegend und bergend in eine Kinderbrust, hervorguckend aus einem Kindesauge, wie das Osterhäschen aus Blumen! Das war ein anderer Herr und Gön¬ ner, als der silbenstecherische Patron im Kate¬ chismus!
heit tauchen ließ; vor Allem aber die Natur¬ ſchilderung an der Hand der entfeſſelten Phan¬ taſie, welche berauſcht uͤber die bluͤhende Erde ſchweifte und mit den Sternen ſpielte, wie ein Kind mit Blumen, je toller, deſto beſſer! Dieſe Herrlichkeit machte mich ſtutzen, dies ſchien mir das Wahre und Rechte! Und inmitten der Abendroͤthen und Regenbogen, der Lilienwaͤlder und Sternenſaaten, der rauſchenden und plaͤt¬ ſchernden Gewitter, die der aufgehenden Sonne das Kinderantlitz wuſchen, daß es einen Augen¬ blick ſich weinend verzog und verdunkelte, um dann um ſo reiner und vergnuͤgter zu ſtrahlen, inmitten all' des Feuerwerkes der Hoͤhe und Tiefe, in dieſen ſaumloſen ſchillernden Weltmantel ge¬ huͤllt der Unendliche, groß, aber voll Liebe, heilig, aber ein Gott des Laͤchelns und des Scherzes, furchtbar von Gewalt, doch ſich ſchmiegend und bergend in eine Kinderbruſt, hervorguckend aus einem Kindesauge, wie das Oſterhaͤſchen aus Blumen! Das war ein anderer Herr und Goͤn¬ ner, als der ſilbenſtecheriſche Patron im Kate¬ chismus!
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0185"n="175"/>
heit tauchen ließ; vor Allem aber die Natur¬<lb/>ſchilderung an der Hand der entfeſſelten Phan¬<lb/>
taſie, welche berauſcht uͤber die bluͤhende Erde<lb/>ſchweifte und mit den Sternen ſpielte, wie ein<lb/>
Kind mit Blumen, je toller, deſto beſſer! Dieſe<lb/>
Herrlichkeit machte mich ſtutzen, dies ſchien mir<lb/>
das Wahre und Rechte! Und inmitten der<lb/>
Abendroͤthen und Regenbogen, der Lilienwaͤlder<lb/>
und Sternenſaaten, der rauſchenden und plaͤt¬<lb/>ſchernden Gewitter, die der aufgehenden Sonne<lb/>
das Kinderantlitz wuſchen, daß es einen Augen¬<lb/>
blick ſich weinend verzog und verdunkelte, um<lb/>
dann um ſo reiner und vergnuͤgter zu ſtrahlen,<lb/>
inmitten all' des Feuerwerkes der Hoͤhe und Tiefe,<lb/>
in dieſen ſaumloſen ſchillernden Weltmantel ge¬<lb/>
huͤllt der Unendliche, groß, aber voll Liebe, heilig,<lb/>
aber ein Gott des Laͤchelns und des Scherzes,<lb/>
furchtbar von Gewalt, doch ſich ſchmiegend und<lb/>
bergend in eine Kinderbruſt, hervorguckend aus<lb/>
einem Kindesauge, wie das Oſterhaͤſchen aus<lb/>
Blumen! Das war ein anderer Herr und Goͤn¬<lb/>
ner, als der ſilbenſtecheriſche Patron im Kate¬<lb/>
chismus!</p><lb/></div></body></text></TEI>
[175/0185]
heit tauchen ließ; vor Allem aber die Natur¬
ſchilderung an der Hand der entfeſſelten Phan¬
taſie, welche berauſcht uͤber die bluͤhende Erde
ſchweifte und mit den Sternen ſpielte, wie ein
Kind mit Blumen, je toller, deſto beſſer! Dieſe
Herrlichkeit machte mich ſtutzen, dies ſchien mir
das Wahre und Rechte! Und inmitten der
Abendroͤthen und Regenbogen, der Lilienwaͤlder
und Sternenſaaten, der rauſchenden und plaͤt¬
ſchernden Gewitter, die der aufgehenden Sonne
das Kinderantlitz wuſchen, daß es einen Augen¬
blick ſich weinend verzog und verdunkelte, um
dann um ſo reiner und vergnuͤgter zu ſtrahlen,
inmitten all' des Feuerwerkes der Hoͤhe und Tiefe,
in dieſen ſaumloſen ſchillernden Weltmantel ge¬
huͤllt der Unendliche, groß, aber voll Liebe, heilig,
aber ein Gott des Laͤchelns und des Scherzes,
furchtbar von Gewalt, doch ſich ſchmiegend und
bergend in eine Kinderbruſt, hervorguckend aus
einem Kindesauge, wie das Oſterhaͤſchen aus
Blumen! Das war ein anderer Herr und Goͤn¬
ner, als der ſilbenſtecheriſche Patron im Kate¬
chismus!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/185>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.