Als ich schlafen ging, spukte und rauschte es die ganze Nacht auf meinen Lippen, durch Traum und Wachen, welche oft und heftig wechselten: ich sank von Traum zu Traum, farbig und blitzend, dunkel und schwül, dann wieder sich er¬ hellend aus dunkelblauer Finsterniß zu blumen¬ durchwogter Klarheit, ich träumte nie von Anna, aber ich küßte Baumblätter, Blumen und die lautere Luft und wurde überall wieder geküßt, fremde Frauen gingen über den Kirchhof und wateten durch den Fluß mit silberglänzenden Fü¬ ßen, die eine trug Anna's schwarzes Gewand, die andere ihr blaues, die dritte ihr grünes mit den rothen Blümchen, die vierte ihre Halskrause, und wenn mich dies ängstigte und ich ihnen nachlief und darüber erwachte, war es, als ob die wirkliche Anna von meinem Lager soeben und leibhaftig wegschliche, daß ich verwirrt und betäubt auffuhr und sie laut beim Namen rief, bis mich die stille Glanznacht, welche getreulich im Thale lag, zu mir selbst brachte und in neue Träume hüllte.
So ging es in den hellen Morgen hinein und
Als ich ſchlafen ging, ſpukte und rauſchte es die ganze Nacht auf meinen Lippen, durch Traum und Wachen, welche oft und heftig wechſelten: ich ſank von Traum zu Traum, farbig und blitzend, dunkel und ſchwuͤl, dann wieder ſich er¬ hellend aus dunkelblauer Finſterniß zu blumen¬ durchwogter Klarheit, ich traͤumte nie von Anna, aber ich kuͤßte Baumblaͤtter, Blumen und die lautere Luft und wurde uͤberall wieder gekuͤßt, fremde Frauen gingen uͤber den Kirchhof und wateten durch den Fluß mit ſilberglaͤnzenden Fuͤ¬ ßen, die eine trug Anna's ſchwarzes Gewand, die andere ihr blaues, die dritte ihr gruͤnes mit den rothen Bluͤmchen, die vierte ihre Halskrauſe, und wenn mich dies aͤngſtigte und ich ihnen nachlief und daruͤber erwachte, war es, als ob die wirkliche Anna von meinem Lager ſoeben und leibhaftig wegſchliche, daß ich verwirrt und betaͤubt auffuhr und ſie laut beim Namen rief, bis mich die ſtille Glanznacht, welche getreulich im Thale lag, zu mir ſelbſt brachte und in neue Traͤume huͤllte.
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Als ich ſchlafen ging, ſpukte und rauſchte es
die ganze Nacht auf meinen Lippen, durch Traum
und Wachen, welche oft und heftig wechſelten:
ich ſank von Traum zu Traum, farbig und
blitzend, dunkel und ſchwuͤl, dann wieder ſich er¬
hellend aus dunkelblauer Finſterniß zu blumen¬
durchwogter Klarheit, ich traͤumte nie von Anna,
aber ich kuͤßte Baumblaͤtter, Blumen und die
lautere Luft und wurde uͤberall wieder gekuͤßt,
fremde Frauen gingen uͤber den Kirchhof und
wateten durch den Fluß mit ſilberglaͤnzenden Fuͤ¬
ßen, die eine trug Anna's ſchwarzes Gewand, die
andere ihr blaues, die dritte ihr gruͤnes mit den
rothen Bluͤmchen, die vierte ihre Halskrauſe,
und wenn mich dies aͤngſtigte und ich ihnen
nachlief und daruͤber erwachte, war es, als ob
die wirkliche Anna von meinem Lager ſoeben
und leibhaftig wegſchliche, daß ich verwirrt und
betaͤubt auffuhr und ſie laut beim Namen rief,
bis mich die ſtille Glanznacht, welche getreulich
im Thale lag, zu mir ſelbſt brachte und in neue
Traͤume huͤllte.
So ging es in den hellen Morgen hinein und
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/156>, abgerufen am 23.11.2024.
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