flimmerten wider an der weißen Zimmerdecke und ihr Reflex überstrahlte das Angesicht jenes seltsa¬ men Kindes, dessen alterthümliches Bild an der Wand hing. Es schien unter dem Wechseln des spielenden Silberscheines zu leben und vermehrte den Eindruck, den Alles auf mich machte. Dicht unter dem Fenster wurde Vieh getränkt, Kühe, Ochsen, junge Rinder, Pferde und Ziegen gingen in der Mitte des klaren Wassers, tranken in be¬ dächtigen Zügen und sprangen muthwillig da¬ von; das ganze Thal war lebendig und glänzte vor Frische und sein Rauschen vermischte sich mit dem Gelächter in meinem Zimmer, ich fühlte mich so glücklich, wie ein junger Fürst, bei wel¬ chem glänzendes Lever gehalten wird. Endlich erschien die Muhme und befahl uns ohne Wider¬ stand zum Frühstück.
Ich sah mich wieder an den langen Tisch ver¬ setzt, um welchen die zahlreiche Familie mit ihren Schützlingen und Arbeitern versammelt war. Letztere kamen schon von mehrstündiger Arbeit und erholten sich von der ersten leichten Müde, von der erstarkten Sonne als Morgengruß gesen¬
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flimmerten wider an der weißen Zimmerdecke und ihr Reflex uͤberſtrahlte das Angeſicht jenes ſeltſa¬ men Kindes, deſſen alterthuͤmliches Bild an der Wand hing. Es ſchien unter dem Wechſeln des ſpielenden Silberſcheines zu leben und vermehrte den Eindruck, den Alles auf mich machte. Dicht unter dem Fenſter wurde Vieh getraͤnkt, Kuͤhe, Ochſen, junge Rinder, Pferde und Ziegen gingen in der Mitte des klaren Waſſers, tranken in be¬ daͤchtigen Zuͤgen und ſprangen muthwillig da¬ von; das ganze Thal war lebendig und glaͤnzte vor Friſche und ſein Rauſchen vermiſchte ſich mit dem Gelaͤchter in meinem Zimmer, ich fuͤhlte mich ſo gluͤcklich, wie ein junger Fuͤrſt, bei wel¬ chem glaͤnzendes Lever gehalten wird. Endlich erſchien die Muhme und befahl uns ohne Wider¬ ſtand zum Fruͤhſtuͤck.
Ich ſah mich wieder an den langen Tiſch ver¬ ſetzt, um welchen die zahlreiche Familie mit ihren Schuͤtzlingen und Arbeitern verſammelt war. Letztere kamen ſchon von mehrſtuͤndiger Arbeit und erholten ſich von der erſten leichten Muͤde, von der erſtarkten Sonne als Morgengruß geſen¬
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flimmerten wider an der weißen Zimmerdecke und
ihr Reflex uͤberſtrahlte das Angeſicht jenes ſeltſa¬
men Kindes, deſſen alterthuͤmliches Bild an der
Wand hing. Es ſchien unter dem Wechſeln des
ſpielenden Silberſcheines zu leben und vermehrte
den Eindruck, den Alles auf mich machte. Dicht
unter dem Fenſter wurde Vieh getraͤnkt, Kuͤhe,
Ochſen, junge Rinder, Pferde und Ziegen gingen
in der Mitte des klaren Waſſers, tranken in be¬
daͤchtigen Zuͤgen und ſprangen muthwillig da¬
von; das ganze Thal war lebendig und glaͤnzte
vor Friſche und ſein Rauſchen vermiſchte ſich mit
dem Gelaͤchter in meinem Zimmer, ich fuͤhlte
mich ſo gluͤcklich, wie ein junger Fuͤrſt, bei wel¬
chem glaͤnzendes Lever gehalten wird. Endlich
erſchien die Muhme und befahl uns ohne Wider¬
ſtand zum Fruͤhſtuͤck.
Ich ſah mich wieder an den langen Tiſch ver¬
ſetzt, um welchen die zahlreiche Familie mit ihren
Schuͤtzlingen und Arbeitern verſammelt war.
Letztere kamen ſchon von mehrſtuͤndiger Arbeit
und erholten ſich von der erſten leichten Muͤde,
von der erſtarkten Sonne als Morgengruß geſen¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/13>, abgerufen am 03.12.2024.
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