Brod neben mir, wie ein Arbeiter, der seines Lohnes werth ist. Die Sonne ging hinab und ließ eine hohe Rosengluth zurück, welche auf Alles einen sterbenden Nachglanz warf und die Zeichnung auf meinen Knieen sammt meinen Händen wunderbar röthete und etwas Rechtem gleichsehen ließ. Da ich sehr früh aufgestanden war und in diesem Augenblicke auch sonst nichts Besseres zu thun wußte, schlief ich allmälig ein, und als ich erwachte, standen die Zurückgekehrten in der vorgerückten Dämmerung vor mir und am dunkelblauen Himmel wieder die Sterne. Meine Malerei wurde nun in der Stube bei Licht be¬ sehen, die Magd schlug die Hände über den Kopf zusammen und hatte noch nie etwas Aehnliches erblickt, der Schulmeister fand mein Werk gut und belobte meine Artigkeit gegen sein Töchter¬ chen mit schönen Worten und freute sich darüber, Anna lächelte vergnügt auf das Geschenk, wagte aber nicht, es anzurühren, sondern ließ es auf dem flachen Tische liegen und guckte nur hinter den Anderen hervor darüber hin. Wir nahmen nun das Nachtmahl ein, nach welchem ich auf¬
Brod neben mir, wie ein Arbeiter, der ſeines Lohnes werth iſt. Die Sonne ging hinab und ließ eine hohe Roſengluth zuruͤck, welche auf Alles einen ſterbenden Nachglanz warf und die Zeichnung auf meinen Knieen ſammt meinen Haͤnden wunderbar roͤthete und etwas Rechtem gleichſehen ließ. Da ich ſehr fruͤh aufgeſtanden war und in dieſem Augenblicke auch ſonſt nichts Beſſeres zu thun wußte, ſchlief ich allmaͤlig ein, und als ich erwachte, ſtanden die Zuruͤckgekehrten in der vorgeruͤckten Daͤmmerung vor mir und am dunkelblauen Himmel wieder die Sterne. Meine Malerei wurde nun in der Stube bei Licht be¬ ſehen, die Magd ſchlug die Haͤnde uͤber den Kopf zuſammen und hatte noch nie etwas Aehnliches erblickt, der Schulmeiſter fand mein Werk gut und belobte meine Artigkeit gegen ſein Toͤchter¬ chen mit ſchoͤnen Worten und freute ſich daruͤber, Anna laͤchelte vergnuͤgt auf das Geſchenk, wagte aber nicht, es anzuruͤhren, ſondern ließ es auf dem flachen Tiſche liegen und guckte nur hinter den Anderen hervor daruͤber hin. Wir nahmen nun das Nachtmahl ein, nach welchem ich auf¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0124"n="114"/>
Brod neben mir, wie ein Arbeiter, der ſeines<lb/>
Lohnes werth iſt. Die Sonne ging hinab und<lb/>
ließ eine hohe Roſengluth zuruͤck, welche auf<lb/>
Alles einen ſterbenden Nachglanz warf und die<lb/>
Zeichnung auf meinen Knieen ſammt meinen<lb/>
Haͤnden wunderbar roͤthete und etwas Rechtem<lb/>
gleichſehen ließ. Da ich ſehr fruͤh aufgeſtanden<lb/>
war und in dieſem Augenblicke auch ſonſt nichts<lb/>
Beſſeres zu thun wußte, ſchlief ich allmaͤlig ein,<lb/>
und als ich erwachte, ſtanden die Zuruͤckgekehrten<lb/>
in der vorgeruͤckten Daͤmmerung vor mir und am<lb/>
dunkelblauen Himmel wieder die Sterne. Meine<lb/>
Malerei wurde nun in der Stube bei Licht be¬<lb/>ſehen, die Magd ſchlug die Haͤnde uͤber den Kopf<lb/>
zuſammen und hatte noch nie etwas Aehnliches<lb/>
erblickt, der Schulmeiſter fand mein Werk gut<lb/>
und belobte meine Artigkeit gegen ſein Toͤchter¬<lb/>
chen mit ſchoͤnen Worten und freute ſich daruͤber,<lb/>
Anna laͤchelte vergnuͤgt auf das Geſchenk, wagte<lb/>
aber nicht, es anzuruͤhren, ſondern ließ es auf<lb/>
dem flachen Tiſche liegen und guckte nur hinter<lb/>
den Anderen hervor daruͤber hin. Wir nahmen<lb/>
nun das Nachtmahl ein, nach welchem ich auf¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[114/0124]
Brod neben mir, wie ein Arbeiter, der ſeines
Lohnes werth iſt. Die Sonne ging hinab und
ließ eine hohe Roſengluth zuruͤck, welche auf
Alles einen ſterbenden Nachglanz warf und die
Zeichnung auf meinen Knieen ſammt meinen
Haͤnden wunderbar roͤthete und etwas Rechtem
gleichſehen ließ. Da ich ſehr fruͤh aufgeſtanden
war und in dieſem Augenblicke auch ſonſt nichts
Beſſeres zu thun wußte, ſchlief ich allmaͤlig ein,
und als ich erwachte, ſtanden die Zuruͤckgekehrten
in der vorgeruͤckten Daͤmmerung vor mir und am
dunkelblauen Himmel wieder die Sterne. Meine
Malerei wurde nun in der Stube bei Licht be¬
ſehen, die Magd ſchlug die Haͤnde uͤber den Kopf
zuſammen und hatte noch nie etwas Aehnliches
erblickt, der Schulmeiſter fand mein Werk gut
und belobte meine Artigkeit gegen ſein Toͤchter¬
chen mit ſchoͤnen Worten und freute ſich daruͤber,
Anna laͤchelte vergnuͤgt auf das Geſchenk, wagte
aber nicht, es anzuruͤhren, ſondern ließ es auf
dem flachen Tiſche liegen und guckte nur hinter
den Anderen hervor daruͤber hin. Wir nahmen
nun das Nachtmahl ein, nach welchem ich auf¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/124>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.