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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854.

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in den Städten findet; einige Häuser erschienen
so herrisch, die Gärten davor so wohlgepflegt,
daß man in den Besitzern mit Recht reiche Dorf¬
magnaten vermuthete. Doch wenn auch der Eine,
gleich einem Deputirten der französischen Bour¬
geoisie, im eleganten Schlafrock, die Cigarre im
Munde, aus dem Fenster schaute, so stand dafür
der Andere in bloßen weißen Hemdsärmeln auf
der Hausflur, und seine braunen Hände verkün¬
deten, ungeachtet des städtischen Hauses, den rü¬
stigen Ackersmann, ja vor einem seiner Fenster
hing zum Durchlüften die Uniform eines gemein¬
nen Soldaten, während aus der Dachluke seines
Knechtes diejenige eines Unteroffiziers in der
Frühlingsluft flaggte. Bei all' dieser Stattlich¬
keit war nun aber das Schulhaus doch das
schönste Gebäude im Dorfe, welches in der
ganzen Gegend öfter der Fall war. Auf einem
freien geebneten Platze ragte es mit hohen blin¬
kenden Fenstern empor und verrieth heitere ge¬
räumige Säle; von seiner Front schimmerte in
kolossalen goldenen Buchstaben das Wort Schul¬
haus. Hier, auf dem sonnigen Vorplatze und

in den Staͤdten findet; einige Haͤuſer erſchienen
ſo herriſch, die Gaͤrten davor ſo wohlgepflegt,
daß man in den Beſitzern mit Recht reiche Dorf¬
magnaten vermuthete. Doch wenn auch der Eine,
gleich einem Deputirten der franzoͤſiſchen Bour¬
geoiſie, im eleganten Schlafrock, die Cigarre im
Munde, aus dem Fenſter ſchaute, ſo ſtand dafuͤr
der Andere in bloßen weißen Hemdſaͤrmeln auf
der Hausflur, und ſeine braunen Haͤnde verkuͤn¬
deten, ungeachtet des ſtaͤdtiſchen Hauſes, den ruͤ¬
ſtigen Ackersmann, ja vor einem ſeiner Fenſter
hing zum Durchluͤften die Uniform eines gemein¬
nen Soldaten, waͤhrend aus der Dachluke ſeines
Knechtes diejenige eines Unteroffiziers in der
Fruͤhlingsluft flaggte. Bei all' dieſer Stattlich¬
keit war nun aber das Schulhaus doch das
ſchoͤnſte Gebaͤude im Dorfe, welches in der
ganzen Gegend oͤfter der Fall war. Auf einem
freien geebneten Platze ragte es mit hohen blin¬
kenden Fenſtern empor und verrieth heitere ge¬
raͤumige Saͤle; von ſeiner Front ſchimmerte in
koloſſalen goldenen Buchſtaben das Wort Schul¬
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[38/0052] in den Staͤdten findet; einige Haͤuſer erſchienen ſo herriſch, die Gaͤrten davor ſo wohlgepflegt, daß man in den Beſitzern mit Recht reiche Dorf¬ magnaten vermuthete. Doch wenn auch der Eine, gleich einem Deputirten der franzoͤſiſchen Bour¬ geoiſie, im eleganten Schlafrock, die Cigarre im Munde, aus dem Fenſter ſchaute, ſo ſtand dafuͤr der Andere in bloßen weißen Hemdſaͤrmeln auf der Hausflur, und ſeine braunen Haͤnde verkuͤn¬ deten, ungeachtet des ſtaͤdtiſchen Hauſes, den ruͤ¬ ſtigen Ackersmann, ja vor einem ſeiner Fenſter hing zum Durchluͤften die Uniform eines gemein¬ nen Soldaten, waͤhrend aus der Dachluke ſeines Knechtes diejenige eines Unteroffiziers in der Fruͤhlingsluft flaggte. Bei all' dieſer Stattlich¬ keit war nun aber das Schulhaus doch das ſchoͤnſte Gebaͤude im Dorfe, welches in der ganzen Gegend oͤfter der Fall war. Auf einem freien geebneten Platze ragte es mit hohen blin¬ kenden Fenſtern empor und verrieth heitere ge¬ raͤumige Saͤle; von ſeiner Front ſchimmerte in koloſſalen goldenen Buchſtaben das Wort Schul¬ haus. Hier, auf dem ſonnigen Vorplatze und

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 1. Braunschweig, 1854, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich01_1854/52>, abgerufen am 25.11.2024.